: Keine Angst vor Oliseh
Der Dortmunder Ex-Bochumer Sunday Oliseh hatte die Stimmung vor dem Derby der beiden Teams mächtig angeheizt, für die Hektik während und nach dem 2:2 sorgten dann jedoch andere
AUS BOCHUM CHRISTOPH SCHURIAN
Nach dem letzten Zweikampf wurde es endlich still. Mit leerem Blick blieben die Trainer wie zwei erschöpfte Kirmesboxer sitzen, dann erhob sich Dortmunds Coach Bert van Marwijk und verließ grußlos den Presseraum im Ruhrstadion. Marwijk und Bochums Trainer Peter Neururer hatten das fortgesetzt, was sich zuvor auf dem Rasen abgespielt hatte: Das Ruhrderby zwischen Bochum und Dortmund begann als ansehnliches Fußballspiel und endete mit weiten Abschlägen und wüsten Grätschen.
„Ich stehe noch ganz unter dem Eindruck der schweren Verletzung von Peter Madsen.“ So erschüttert zeigte sich Neururer der Presse, dass man bei dem Stürmer nicht einen Syndesmosebandanriss vermutete, sondern sich ehrliche Sorgen machte um Leib und Leben des Spielers: „Wenn das ein normaler Zweikampf war, dann können wir mit dem Fußball aufhören!“, ereiferte sich der Erfolgstrainer. „Sah schlimmer aus, als es war“, meinte indes Dortmunds Van Marwijk. Und das sein Kollege die rote Karte für den überharten Einsatz von David Odonkor forderte, der Ball und Madsen über die Seitenlinie befördert hatte, auch das wollte der Holländer nicht verstehen: „Ist nicht mein Stil!“
Auf dem Platz ist sein Stil schon recht gut zu erkennen – zumindest war das in der zweiten Halbzeit so. Dortmund setzt auf die Schnelligkeit seiner Spieler, auf die Geschicklichkeit des Mittelstürmers Jan Koller und vor allem auf Thomas Rosicky. Bis der verletzt hinausmusste, verlegte der tschechische Spielmacher mutig das BVB-Spiel weit hinein in die gegnerische Hälfte. Bochum wehrte sich mit Mühe, Eckbälle und Freistöße häuften sich. Ewerthon traf nach einer Ecke zur Führung, zuvor konnte Koller einen Freistoß zum Ausgleich einköpfen – Freistoßschütze war ausgerechnet der Ex-Bochumer Sunday Oliseh.
Und vor allem Oliseh hatte dafür gesorgt, das es rund um das Derby zwischen Borussia und dem VfL hoch herging: Vor einem halben Jahr spielte der Nigerianer noch für den VfL und hatte mächtigen Anteil am Bochumer Höhenflug – am Donnerstag startet der Klub auswärts gegen Lüttich in seine zweite Uefa-Cup-Saison überhaupt. Da Oliseh aber Mitspieler Vahid Hashemian nach einem Bundesligaspiel im Streit das Nasenbein brach, wurde er suspendiert. Erst auf Umwegen kam er zurück zu Dortmund und ließ jetzt kein gutes Haar an Exverein und Neururer. („Wer bitte ist Neururer?“)
Am Samstag wurde Nigerias Exnationalspieler dann so wüst und dauerhaft vom Bochumer Anhang beschimpft, dass sich Oliseh trotz einer durchwachsenen Leistung wieder in die Herzen seiner Dortmunder Anhänger gespielt haben dürfte: Ein Bochumer Fan-Spruchband zieh den Nigerianer einen charakterlosen „Lügner“ und „Verräter“. Die Zerrüttung zwischen Bochum und Oliseh geht so tief, dass auch Neururer für die verbalen Entgleisungen seiner Fans Verständnis äußerte: „Dass es nicht eskalierte, spricht für unsere Fans.“ Eine Versöhnung mit Oliseh sei nur möglich, wenn sich der für seine rassistischen Bemerkungen entschuldige.
Neururer hätte nach Schlusspfiff vermutlich mehr Größe bewiesen, wenn sein Team das ganze Spiel über eine ansprechende Leistung gebracht hätte. Nur die Halbzeitführung war hoch verdient, auch dem 1:0 ging ein Freistoß voraus. Die Hereingabe von Dariusz Wosz, nach wie vor Dreh- und Angelpunkt seiner Mannschaft, konnte Verteidiger Raymond Kalla im Liegen ins Tor köpfen. Die Hintermannschaft des VfL hat den Abgang von Frank Fahrenhorst noch nicht verdaut, doch die Torgefahr bei Standards scheint Bochum auch in die neue Saison gerettet zu haben: Kallas Führungstreffer war sein zweites Saisontor. Glücklich fiel er als einziger Bochumer Spieler nach dem Match auch Oliseh um den Hals.
Die anderen gingen ihm lieber aus dem Weg – Angst brauchten sie aber nicht zu haben: Er habe die ganze Nacht gebetet, sagte Sunday Oliseh nach dem Spiel: „Und der liebe Gott hat seine Arbeit heute gut gemacht!“ Wohl auch deshalb, weil der hitzige Nachmittag mit dem 2:2 wenigstens ein versöhnliches Ergebnis brachte, nachdem Guy Demel einen von BVB-Keeper Guillaume Warmusz abgeprallten Ball ins eigene Tor gelenkt hatte.