DIE EU SCHONT WEISSRUSSLAND TROTZ MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN : Zynische Entscheidung
Weißrusslands Machthaber können zufrieden sein. Das von der EU im Jahr 2006 infolge gefälschter Präsidentenwahlen verhängte Einreiseverbot gegen 41 hochrangige Politiker wird für weitere neun Monate ausgesetzt. Und die Einladung zu einem Gipfeltreffen zwecks Gründung einer „Östlichen Partnerschaft“ in Prag im kommenden Mai hat der Minsker Diktator Alexander Lukaschenko ebenfalls so gut wie in der Tasche – auch wenn ein offizieller Beschluss noch aussteht.
Die EU begründet ihre jüngste Entscheidung mit Fortschritten bei der Liberalisierung des Regimes sowie Minsks wachsender Bereitschaft zu einem Dialog mit dem Westen. Doch diese Erklärung überzeugt heute so wenig wie im vergangenen Oktober, als die Sanktionen erstmals gelockert wurden. Erinnert sei an die Parlamentswahlen vom September 2008, bei denen merkwürdigerweise kein Kandidat der Opposition den Einzug ins Parlament schaffte. Erst unlängst wurden wieder fünf Oppositionelle verhaftet. Und die Menschenrechtlerin Jana Poljakowa nahm sich aus Verzweiflung über eine äußerst fragwürdige Verurteilung zu zweieinhalb Jahren Haft Anfang März das Leben. Wer da die weißrussische Regierung auf Reformkurs sieht, will entweder die Realitäten nicht zur Kenntnis nehmen oder ist einfach nur zynisch.
Zweifellos steckt Brüssel in einem Dilemma. Denn eine härtere Gangart gegenüber Weißrussland würde das Projekt „Östliche Partnerschaft“, mit dem sechs ehemalige Sowjetrepubliken näher an die EU gebunden werden sollen, gefährden. Zudem würde das Land wieder verstärkt in die Arme Russlands getrieben – zur Zufriedenheit Moskaus. Denn der Kreml versucht nach wie vor im „nahen Ausland“ seine Interessen durchzusetzen.
Und dennoch: Die EU darf sich von Lukaschenko nicht blenden und vorführen lassen. Statt wachsweicher Kompromisse müsste eine wirkliche Strategie gegenüber Weißrussland her. Etwa in Form einer Roadmap, die bestimmte Schritte im Hinblick auf eine Demokratisierung genau festlegt. Vorher darf für Alexander Lukaschenko kein Weg nach Prag führen. BARBARA OERTEL