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Archiv-Artikel

PDS wird laut Programm im Oktober gerettet

Ausgerechnet mit dem fünf Jahre lang umkämpften neuen Parteiprogramm will Bisky die PDS aus der Krise führen

BERLIN taz ■ Seit fünf Jahren diskutiert die PDS über ein neues Parteiprogramm. Beschlossen werden soll es nun auf einem Parteitag Ende Oktober. Auf „tausend Veranstaltungen“ habe er insgesamt schon über dieses Programm gesprochen, resümiert Lothar Bisky müde. Zurzeit ist die auf den Vorsitz zurückgekehrte Integrationfigur wieder auf Werbetour durch die Partei und hofft: „Die PDS will jetzt dieses Programm verabschieden.“

Diese Aussage trifft zumindest auf die Basisgruppe 384 Berlin-Mitte zu, mit der Bisky am Montagabend das Programm öffentlich diskutierte. BO 384 wirkt wie ein repräsentativer Querschnitt der PDS-Mitgliedschaft. Ältere Damen in Pastell, drahtige ältere Herren, aus dem Westen Zugezogene mit Kinnbärten und eine Hand voll ganz Junge, die gerade erst begonnen haben, sich für Politik zu interessieren. Der Ton ist akademisch, es gibt weder Bier noch zu rauchen, dafür Einigkeit, die der BO-Vorsitzende so zusammenfasst: „Wenn wir jetzt nicht das Programm beschließen, brauchen wir bei den nächsten Wahlen gar nicht erst anzutreten.“

Was hat es auf sich mit diesem 50 Seiten langen Text, dass sich die gebeutelte Ostpartei davon Rettung verspricht? „Wenn ich in einer Gesellschaft keine Potenziale für Veränderung sehe, muss ich mich nicht engagieren“, erklärt Bisky. Das neue Programm geht vom Grundgesetz aus und sucht das „Bewahrens- und Entwicklungswerte“ in der BRD, nicht den Umsturz der Gesellschaftsordnung. Sogar von „Unternehmertum und Gewinninteresse“ als „wichtigen Bedingungen für Innovation“ steht da geschrieben. Ein Kapitel widmet sich „konkreten Reformalternativen“, die zum Erfolg der PDS, so Bisky, „ganz entscheidend seien“.

Mit den konkreten Reformen kennen sich die Genossen in Berlin allerdings aus, seit ihre Partei die Hauptstadt gemeinsam mit der SPD Klaus Wowereits regiert: „Im Programm fordern wir, Bildung nicht zu privatisieren. Aber in Berlin beschließen wir: Die Eltern müssen die Schulbücher ihrer Kinder kaufen. Ist das keine Privatisierung von Bildung?“ Doch auch die Genossin mit diesem Einwand schiebt nach, prinzipiell sei sie für die Verabschiedung dieses Programms.

Spürbar bei allen Anwesenden ist das Bedürfnis, Bisky den Rücken zu stärken. Seine Genossen sind ihm dankbar, dass er zurückkehrte, nachdem eine überforderte Zwischenvorsitzende, übergelaufene Sozialdemokraten und enthemmte Radikale die PDS in der Öffentlichkeit unmöglich machten. Bisky: „Das ist unser Hauptproblem, die kolossale Verunsicherung.“ Die Auseinandersetzung mit dem utopistischen Flügel wird jedoch auch im neuen Programm vermieden. So erkennt die PDS zwar das „Gewaltmonopol des UN-Sicherheitsrates an“. Parteibeschlüsse verbieten jedoch die Unterstützung eines UN-mandatierten Militäreinsatzes.

Trotz allen Zuspruchs wirkt Bisky eher pflichtergeben als kampfeslustig: Der Vorsitzende geht in die letzte Runde der Auseinandersetzung um das Programm wie ein Maultier ins Geschirr. Und warnt vor einem Scheitern: „Mit dem neuen Programm wäre die PDS auf der Höhe der Zeit. Wir sollten es annehmen, damit uns die Zeit nicht davonläuft.“ ROBIN ALEXANDER