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Archiv-Artikel

berliner szenen Kalt oder schnell?

Begrüßungsritual Tegel

Vor dem Flughafen Tegel sucht ein Mann mit gigantischem Rucksack nach der Abfahrtszeit des Busses. Er sieht das Schild, stellt den Rucksack ab und sucht die entsprechende Zeile. Eine Frau von ca. 50 Jahren spricht ihn an: „Fahren Sie mit dem 128er?“ Der Mann bejaht, die Frau sagt: „Ich habe ein Ticket vom Breitenbachplatz, das ist noch eine Stunde gültig, ich verkaufe es Ihnen für einen Euro.“ Der Mann ist kurz unschlüssig und überlegt, die Frau: „Schnell, schnell! Damit es keiner sieht!“ Dem Mann ist die Angst der Frau unerklärlich: „Aber Sie tun doch nichts Illegales.“ „Doch, doch, das steht auf der Rückseite, nun machen Sie schon!“ Sie kuckt sich hektisch um und stöhnt wie unter einer Zentnerlast. Als sie das Kleingeld erhält, fällt es ihr herunter.

Der Mann lässt seinen Rucksack stehen und geht zu einer Imbissbude in einem S-Bahn-Wagon: „Eine Currywurst mit Brötchen bitte!“ Der Verkäufer schiebt eine Wurst von einer Stelle auf der Grillplatte zu einer anderen, legt das Brötchen auf eine Serviette. Der Mann ist ungeduldig, kuckt zum Bus, dann zum Verkäufer: „Ich bin etwas unter Zeitdruck, können Sie mir die Wurst schnell geben.“ „Es dauert noch etwas, sonst müssen Sie sie kalt essen!“ „Ich habe mich getäuscht, das machte auf mich den Eindruck eines Schnell-Imbisses. Können Sie mir aus Kulanz einfach das Geld zurückgeben?“ „Dazu bin ich nicht befugt.“ „Aber mir ist doch völlig egal, wozu Sie befugt sind, ich will einfach mein Geld zurück.“ „Das geht nicht.“ „Aber ich bin doch der Kunde und Sie könnten freundlich zu mir sein.“ „Ich bin doch freundlich.“ „Tut mir leid, aber freundlich ist anders.“ Der Mann stürzt zum Bus, das Brötchen auf der Serviette bleibt liegen, der Bus fährt ab.

FALKO HENNIG