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Archiv-Artikel

Platz da für Super-Dad!

Viele geschiedene englische Väter leiden darunter, dass sie ihre Kinder nicht sehen dürfen. Um fürihr Anliegen zu kämpfen, pressen sich manche von ihnen zu diesem Zweck in hautenge Kostüme

VON MARTIN REICHERT

Es ist bislang nicht überliefert, ob die Queen „amused“ war oder nicht, fest steht jedoch, dass es Jason Hatch von „Fathers 4 Justice“, der Bürgerrechtsorganisation „Väter für Gerechtigkeit“, die für die Änderung des britischen Sorgerechts kämpft, gelungen ist, auf das Gelände des Londoner Buckingham-Palastes vorzudringen und entlang dessen Fassade herumzuturnen – im Batman-Kostüm. Lisbeth befand sich zum Zeitpunkt dieser Aktion auf Schloss Windsor in Schottland. Dort hatte im letzten Jahr der Auftritt eines als Ussama Bin Laden verkleideten Kabarettisten für Aufregung gesorgt, der uneingeladen zu Prinz Williams Geburtstag erschienen war.

Erst am letzten Wochenende war ein als Spiderman verkleidetes Mitglied der Daddy-Organisation auf das Riesenrad „London Eye“ geklettert und hatte es einen Tag lang still gelegt. Der 37-jährige David Chick hatte die Touristenattraktion erklommen und ein Transparent mit der Aufschrift „Im Namen des Vaters“ entrollt. Nach eigenen Angaben hat Chick seine Tochter seit über einem Jahr nicht mehr gesehen, weil ihre Mutter den Kontakt unterbindet, und dies mit Unterstützung des königlichen Familiengerichts. Der Children’s Act aus dem Jahre 1989 sieht zwar eigentlich vor, dass im Scheidungsfall das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehen sollte, die „Fathers 4 Justice“ monieren jedoch, dass mittlerweile das Wohl der Mütter im Vordergrund stehe: nach britischem Recht dürfen Mütter den Kontakt zwischen Kindern und Vätern unterbinden, wenn dieser sie ängstigt oder depressiv macht – eine Möglichkeit, die von einer steigenden Anzahl von Müttern in Anspruch genommen wird.

Die von den Launen der Exfrau und der Gnade des Familiengerichts abhängigen Männer setzen sich seit einiger Zeit zur Wehr, und dies mit fast allen Mitteln: Die Mitglieder der Daddy-Armee sind durchaus bereit, das Gesetz zu brechen, um ihre Ziele durchzusetzen. Die kessen Väter, die sich von PR- und Marketingprofis beraten lassen, fahren eine Doppelstrategie: einerseits üben sie Druck auf die jeweils zuständigen RichterInnen aus, bisweilen ketten sie sich vor deren Privatwohnungen fest, andererseits versuchen sie die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zu ziehen. Mit Erfolg: Erst am Mittwoch letzter Woche hatten Mitglieder der Organisation Premierminister Tony Blair im Unterhaus mit Kondomen beworfen, die mit purpurfarbenem Mehl gefüllt waren.

Die offizielle Debatte im Terror-hysterischen England kreist derzeit um die augenscheinlich bestehenden Sicherheitslücken, die von den Aktivistinnen geschickt genutzt worden waren: Die Eintrittskarten für das Parlament hatten sie bei einer Wohltätigkeitstombola gewonnen. Mittelfristig haben die Väter jedoch gute Chancen, ihr Anliegen durchzusetzen: Mit Hartnäckigkeit, Witz und Charme könnten sie ein gesellschaftliches Umdenken erwirken. Während ihre australischen Leidensgenossen, die paramilitärisch organisierten „Blackshirts“, geschiedene Mütter bis vor die Haustür verfolgen und mit Telefonterror belegen, inszenieren sich die Engländer als liebenswerte Väter, die sich im hautengen Batman-Kostüm vor den Augen der Welt zum Affen machen: Mit der Hoffnung, dass der verlorene Sohn oder die verlorene Tochter zu Hause vor dem Fernsehschirm sitzt und denkt: Hey, das ist mein Dad, und das tut er alles nur für mich.

Während Aktivismus in Deutschland sich meist darauf beschränkt, Särge durch die Gegend zu tragen oder schlecht gelaunt herumzubuhen, lässt man sich in England Aktionen einfallen, die hinterher zur Verfilmung taugen: Englische Hausfrauen ziehen sich für einen Kalender aus, um Geld für wohltätige Zwecke zu sammeln: „Kalender Girls“. Arbeitslose Bergarbeiter machen eine Strip-Show, um die Familie zu ernähren: „Ganz oder gar nicht“.

„Let me entertain you“ könnte das Motto der Bürgerrechtsorganisation sein, die dennoch ein ernsthaftes Anliegen verfolgt. Auch in Deutschland leiden Männer häufig unter der Trennung von ihren Kindern, das deutsche Familienrecht schützt die Vaterschaft unverheirateter Männer nur unzureichend. Auch offiziell sorgeberechtigte Väter haben häufig Schwierigkeiten, diese Rechte gegen die Mütter durchzusetzen. Sie sind mitunter Opfer des Vorurteils, dass nur Frauen Kinder erziehen können, während es von Männern heißt, dass sie sich ohnehin nicht für Kinder interessieren. Hier ist Kreativität gefragt.