: Terror-Datei verfassungswidrig
Gutachten des Bundestags hält Niedersachsens Bundesratsinitiative, Polizei- und Geheimdienstinformationen zu bündeln, für verfassungswidrig
hannover/Berlin taz ■ Niedersachsens Bundesratsinitiative zur Schaffung einer gemeinsamen Bund-Länder-Datei zu Extremisten könnte verfassungswidrig sein. Die Pläne von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) „verstoßen gegen das Trennungsgebot von Polizei und Verfassungsschutz“, sagt Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, zur taz. Dabei stützt er sich auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten des Juristischen Dienstes des Bundestags. Darin heißt es, dass „ein Datenpool im Online-Verbund .... mit dem Trennungsgebot nicht vereinbar“ sei. Damit wären nicht nur die Pläne von Innenminister Otto Schily (SPD) für eine gemeinsame Anti-Terror-Datei hinfällig, sondern erst recht die viel weitergehende Initiative Niedersachsens.
Innenminister Schünemann will, unterstützt von den anderen CDU-regierten Ländern, Informationen von 37 Bundes- und Landesbehörden in einem Datenpool beim Bundesamt für Verfassungsschutz zentral bündeln. Dabei geht es um Informationen des Zolls, der Landeskriminalämter und der Landesämter für Verfassungsschutz. Im Unterschied zu den Vorstellungen des Bundes soll die Datei permanent und nicht anlassbezogen eingerichtet werden. Während Schily nur Terroristen zentral erfassen will, möchte Schünemann auch Informationen über Extremisten, zum Beispiel islamische Hassprediger, zugänglich machen.
Die Polizei würde so „Vorfelddaten erlangen, wodurch der Ausschluss gerade aus diesem Vorfeld unterlaufen werden würde“, heißt es dazu gedrechselt im Gutachten es Bundestags. Und: „Die Übermittlung solcher Daten ist daher unzulässig.“ Da der Verfassungsschutz auch bei Verdachtsmomenten, die Polizei nur anlassbezogen handeln kann, „bekommt die Polizei durch solch einen Dateiabgleich Daten, die nur der Verfassungsschutz haben darf“, erläutert Beck. Die strikte Trennung von polizeilichen und geheimdienstlichen Aufgaben in Deutschland ist ein Erbe der unheilvollen Erfahrungen mit der Gestapo aus der Nazi-Zeit. Beck: „Die aus gutem Grund festgeschriebenen unterschiedlichen Zuständigkeiten würden unterlaufen“.
Das Innenministerium im Hannover sieht nach einer ersten Prüfung des Berliner Gutachtens „keinen Widerspruch“ mit seiner Bundesratsinitiative. „Wir wollen ja nichts an den Behördenorganisation ändern, sondern nur den Informationsfluss verbessern“, sagt Schünemanns Sprecher Klaus Engemann. Zudem sehe der Gesetzentwurf, den die Niedersachsen am übernächsten Freitag im Bundesrat einbringen wollen, auch Einschränkungen für den Informationsaustausch vor. Als Beispiele nannte Engemann die Beibehaltung des Quellenschutzes und die Begrenzung der Weitergabe von Kenntnissen, die aus Telefonüberwachungen gewonnnen wurden. Kai Schöneberg