: Eine Sportart rudert um Aufmerksamkeit
Die Dampfschifffahrt motzt. Grünflächenämter fürchten um Uferwiesen. Nur zwei der Probleme, mit denen sich Berlins Ruderer herumschlagen müssen. Ein Blick auf eine Randsportart – anlässlich der 74. Regatta „Quer durch Berlin“
Es ist noch gar nicht lange her, da haben es die Ruderer sogar bis in die Tagesthemen geschafft. Ulrich Wickert wollte damals nach dem blamablen Abschneiden des deutschen Teams bei der Leichtathletikweltmeisterschaft vom Präsidenten der Deutschen Sporthilfe wissen, woran es denn liege, dass der Sport hierzulande darniederliege.
Der tat so, als verstünde er die Frage nicht, und verwies auf das Abschneiden der deutschen Ruderer bei der diesjährigen WM in Mailand. Dreimal Gold, dreimal Silber und zweimal Bronze bedeuteten Rang eins im Medaillenspiegel der olympischen Bootsklassen. Das Problem daran: Fast keiner hat es gemerkt.
Fast keiner weiß auch, dass der Deutsche Ruderverband, der 1883 gegründet wurde, der älteste Sportverband in Deutschland ist. Mehr als 40 Rudervereine gibt es in der Hauptstadt, in denen sowohl Leistungssport als auch Breitensport betrieben wird. Dennoch gilt Rudern auch in Berlin als Randsportart.
Das macht es nicht gerade leicht, eine Veranstaltung wie die Langstreckenregatta „Quer durch Berlin“, die am Samstag ausgetragen worden ist, zu veranstalten. Die Grünflächenämter machen sich große Sorgen um den Zustand ihrer Wiesen, die von den Ruderern an Start und Ziel benötigt werden. „Das steht in keinem Verhältnis zu dem, was man von der Love Parade kennt“, sagt dazu Michael Hehlke, Geschäftsführer des Berliner Ruderverbandes.
Auch die Berliner Dampfschifffahrt zeige sich nicht gerade kooperativ. Man sei schon auf einen Termin weit nach der Saison gerückt, dennoch sei es nicht möglich, die Strecke zwischen Haus der Kulturen der Welt und Charlottenburger Schleuse für drei Stunden ganz zu sperren. Eigensinnige Kapitäne dicker Passagierschiffe sind unangenehme Begleiter für ein schmales Ruderboot.
Genug gejammert! Am Samstag wurde die Berliner Langstreckenregatta auf der Spree bereits zum 74. Mal ausgetragen. Viele Ruderer, ob Leistungssportler oder Freizeitruderer nutzten den Termin für ihren Saisonausklang. Vierer- und Achterboote waren an den Start auf die 7.000 Meter lange Strecke gegangen. Dabei waren nicht nur die schmalen Rennzigarren unterwegs, sondern auch so genannte Gig-Boote. Das sind breitere Wanderboote, die vor allem von den Freizeitsportlern gerudert werde. Hehlke vom Ruderverband bezeichnet die Streckenlänge als ideal auch für die Hobbyruderer. Denn sie sei nicht zu lange, so dass jeder auch ankomme und auch kaum die Gefahr bestehe, dass sich ein Ruderer völlig auspowert.
Tatsächlich sind die Teilnehmer in den verschiedenen Bootsklassen nach dem Rennen schnell wieder bei Laune. Die Geräuschkulisse am Bier- und Imbissstand im Zielbereich erreicht veritables Bierzeltniveau. Passanten bleiben eher verwundert stehen. „Wir begrüßen die Rudergemeinschaft Berliner Ruderklub Hevella, Richtershorner Ruderverein, Märkischer Ruderverein, Rudergemeinschaft Grünau mit der Startnummer 49 hier im Masters-Rennen Frauen-Gig-Doppelvierer mit Steuerfrau.“ Mit solchen Satzmonstern kann nicht jeder Laie unbedingt etwas anfangen. Doch jedes Team wurde freundlich empfangen.
Gegen Ende der Veranstaltung ging es um dem Klub-Achter-Pokal. Dabei hatten die Titelverteidiger vom Kobenhavns Roklub aus Dänemark die Möglichkeit den Wanderpokal das dritte Mal in Folge zu gewinnen, was sie berechtigt hätte, ihn zu behalten. Im dänischen Boot saßen mit Willi Drexel oder Bo Kaliszan immerhin zwei ehemalige WM-Teilnehmer, und so war ihnen der Sieg auch in diesem Jahr nicht zu nehmen. Auch wenn sie den Pokal jetzt behalten dürfen, wollen die Dänen im nächsten Jahr wiederkommen. Dann wird „Quer durch Berlin“ zum 75. Mal ausgetragen. Das Rennen soll dann in umgekehrter Richtung gefahren werden, so dass das Ziel in der Innenstadt liegt. Berlins Rudermanager Hehlke erhofft sich dann zum einen größeren Entgegenkommen seitens der Behörden sowie ein erhöhtes Publikumsinteresse.
ANDREAS RÜTTENAUER