: Griff ins Portemonnaie
Kita-Kompromiss soll jetzt durch Gehaltsabsenkungen für ErzieherInnen bezahlt werden. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Wählertäuschung gegen Ole von Beust
„Tränen der Wut“ hätten die KollegInnen in den Augen gehabt, berichtet die Betriebsrätin Marina Gerstmann. Denn am Mittwoch schenkte Martin Schaedel, Leiter der städtischen „Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten“, seinen im Audimax versammelten Mitarbeitern reinen Wein ein, was sie erwartet.
Wie hoch die Einsparungen im Kita-Etat für das Jahr 2005 insgesamt sein werden, hängt vom Ergebnis der Verhandlungen zwischen Stadt und Wohlfahrtsverbänden ab. Die Vereinigung geht nun davon aus, dass sie günstigstenfalls 16 Millionen Euro und schlimmstenfalls 32 Millionen Euro kürzen muss. Eine Einsparsumme, die es in dieser Dimension noch nie gegeben hat. Die Absenkung soll zum Teil über eine Pauschalierung aller Kosten erfolgen, von der sich der Senat auch eine einfachere Abrechnung verspricht.
„Der Kita-Kompromiss soll jetzt von uns Erziehern bezahlt werden“, schlussfolgert Gerstmann nach dem Gehörten. So habe Schaedel angekündigt, er werde an die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di herantreten, um über einen neuen Tarif zu verhandeln. Zur Zeit werden die Erzieher nach den Gehaltsstufen des Bundesangestelltentarifs, kurz BAT, bezahlt. Dies beinhaltet einen Alterszuschlag, einen Zuschlag für Kinder sowie einen „Ortszuschlag“, der die Lebenshaltungskosten in Hamburg berücksichtigt. Nach Plänen der CDU soll einer Erzieherin künftig nur noch ein „Mittelwert“ gezahlt werden, der sich am jetzigen Gehalt einer 35-Jährigen mit zwei Kindern orientieren könnte und bei rund 1.500 Euro netto liegt. Da die meisten Erzieherinnen nur noch Teilzeitstellen erhalten, werde man von dem Gehalt kaum Leben können, fürchtet Gerstmann. Noch bitterer sieht es für die 732 Hauswirtschaftsmitarbeiterinnen aus. Ihnen wurde mitgeteilt, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht auszuschließen seien.
Bereits am Mittwoch demonstrierten 1.500 ErzieherInnen spontan vom Uni-Campus in die Innenstadt, um einen „Offenen Brief“ an Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) zu übergeben. Darin baten sie um einen „in Kürze stattfindenden Gesprächstermin für knapp 10.000 Kolleginnen“. Denn wenn die Vereinigung ihre rund 4.500 Erzieher schlechter bezahlt, hat dies Folgen für alle Pädagogen. In der Erzieherszene berät man gar einen Arbeitskampf.
Unterdessen berichtet die Initiative „Keine Krippe, keine Kinder“, dass die Staatsanwaltschaft eine Akte für ein Ermittlungsverfahren gegen Ole von Beust angelegt habe. Der CDU-Bürgermeister habe beim Abschluss des Kita-Kompromisses im April versprochen, dass es keine Minderung der Betreuungsqualität geben werde. Da infolgedessen der Kita-Volksentscheid zurückgezogen wurde, zeigte die Krippen-Initiative ihn wegen „Wählertäuschung“ an. Kaija Kutter