„Sagt bitte nicht, wir seien EM-Favorit“

Italiens Coach Giovanni Trapattoni beugt nach der späten Europameisterschafts-Qualifikation zu hohen Erwartungen vor, England atmet auf, Frankreich schafft Rekord, und Griechenland feiert nach Sensationscoup Otto Rehhagel

HAMBURG dpa/taz ■ Mit einem zum Zeichen des Triumphes hoch emporgestreckten Daumen und wie in Trance drehte Otto Rehhagel eine Ehrenrunde nach der anderen durch das Apostolos-Nikolaidis-Stadion, in dem 14.000 euphorisierte griechische Fans den deutschen Coach feierten.

Dank Vassilis Tsartas Foulelfmeter-Tor zum 1:0 über Nordirland hatte sich Griechenland als Sieger der Gruppe 6 direkt für die EM 2004 qualifiziert. „Es war ein gewagtes Ziel, die Ukraine hinter uns lassen zu wollen. Dass uns das auch mit den Spaniern gelang, ist eine absolute Sensation“, meinte Rehhagel. „Ich habe meinen Jungs gesagt: Auch die Spieler des Gegners haben nur zwei Beine und Augen“, erklärte der Trainer, der das Team seit 2001 betreut, sein Erfolgsrezept und versprach den Fans: „Wir haben in Portugal nichts zu verlieren und wollen das Beste aus unseren Möglichkeiten machen.“

Während die Griechen die viel höher eingeschätzten Spanier hinter sich ließen und erstmals seit 1980 wieder zur EM reisen, setzten sich in den anderen Gruppen meist die Favoriten durch. Nachdem er England mit dem 0:0 in der Türkei zur EM geführt hatte, versicherte der Schwede Sven Göran Eriksson, dass er nicht zum FC Chelsea gehen, sondern beim Nationalteam bleiben wolle. Er freue sich auf Portugal, erklärte Eriksson. „Wir erledigen nie etwas auf die leichte Art. Aber dieses 0:0 zeigt den Charakter unserer Mannschaft“, meinte Englands Kapitän David Beckham nach dem nötigen Punktgewinn in Istanbul zufrieden. Bis auf eine Ausnahme behielten die Engländer die Nerven und ließen sich auch nicht von Fan-Plakaten mit Aufschriften wie „Willkommen zur Hölle“ und „Ihr werdet im Bosporus ersäuft“ provozieren.

Dass ausgerechnet Beckham beim Strafstoß (37.) wegrutschte und sechs Meter über das Tor schoss, blieb folgenlos. „Der Boden gab einfach nach“, sagte der Superstar, der vom Publikum ausgepfiffen und von türkischen Spielern wegen seines Fehlschusses verspottet wurde. Nach einem Gerangel im Kabinengang redete Schiedsrichter Collina den Streithähnen Beckham und Alpay in der Pause ins Gewissen. Eine Verzögerung, die der türkische Trainer Senol Günes prompt als Grund für die Pleite nannte. Er habe sein Team nicht ordentlich auf die zweite Halbzeit vorbereiten können, erkärte der eingefleischte Verschwörungstheoretiker. „Die Engländer waren schon immer unser Albtraum“, schrieb die Zeitung Fanatic frustriert. Fotomac verbreitete Zuversicht für die bevorstehenden Play-offs: „In Portugal sehen wir uns wieder.“

Titelverteidiger Frankreich stellte mit dem achten Sieg im achten Ausscheidungsspiel (3:0 über Israel) einen Rekord auf und erreichte traumhaft sicher die Qualifikation. Dagegen musste neben Deutschland auch Italien bis zum letzten Spieltag kämpfen. Coach Giovanni Trapattoni war froh, dass sich sein mit Stars gespicktes Team trotz einer Schwächephase doch noch mit 4:0 gegen Aserbaidschan als Nummer 1 durchsetzte. „Im Vorjahr schien die EM so weit weg. Jetzt haben wir es geschafft, aber sagt bitte nicht, wir seien EM-Favorit.“