: Nach dem Sündenfall
Geteiltes Echo in der Nachhaltigkeitsbranche auf den Bilanzskandal bei Freddie Mac, einem der größten Anbieter von Investments im amerikanischen Immobiliensektor. Auch Fannie Mae betroffen
Bis zum Frühjahr waren die amerikanischen Hypothekenbanken Freddie Mac und das größere Schwesterunternehmen Fannie Mae als Nachhaltigkeitswerte weit gehend unbestritten. Zum einen auf Grund ihres Unternehmensziels, benachteiligten Bevölkerungsgruppen die Aufnahme günstiger Kredite zu ermöglichen. Zum anderen galten ihre Wertpapiere als günstig und risikoarm, wiesen die Unternehmen seit 1987 durchgehend zweistellige Gewinnwachstumsraten auf. Viele Nachhaltigkeitsfonds nahmen die Unternehmen in ihre Portfolios auf, in etlichen Nachhaltigkeitsindizes sind sie gelistet, Fannie Mae unter anderem auch im Natur-Aktien-Index. Dann aber wurde im Juni überraschend die gesamte Führungsriege von Freddie Mac entlassen. Der Vorwurf an Präsident, Vorstandschef und Finanzvorstand: mangelnde Kooperation mit externen Revisoren.
Der Hypothekenfinanzierer hatte seinen durch den Enron-Skandal belasteten Wirtschaftsprüfer Arthur Anderson durch PriceWaterhouseCoopers ersetzen müssen. Die neuen Revisoren deckten auf, dass das Unternehmen mindestens seit 2000 seine Bilanzgewinne künstlich gedrückt hatte. In großem Umfang waren Termingeschäfte zum Parken von Gewinnen genutzt worden, um so Reserven für weniger erfolgreiche Jahre zu bilden. Der Vorstandsvorsitzende Gregory Parseghian kündigte an, dass der Gewinn der Jahre seit 2000 um 4 bis 4,5 Milliarden Dollar noch oben korrigiert werden muss. Für die Zukunft prognostizierte Parseghian fallende Gewinne. Er erklärte die Bilanzfehler mit einem „Mangel an Fachkenntnis, an Aufsicht und an internen Kontrollen“.
Wie sich wenige Wochen später zeigte, wusste Parseghian, wovon er sprach: Ihm wurde die Beteiligung an den Bilanztricks nachgewiesen, so dass auch er seinen Hut nehmen musste. Daraufhin brach der Aktienkurs des Hypothekenfinanzierers nach zwischenzeitlicher Erholung erneut ein. Und auf Grund ihrer Millionenverluste reichten einige Fondsgesellschaften Klagen gegen Freddie Mac wegen der Irreführung von Anlegern ein. Fannie Mae wurde von den Märkten gleich mitabgestraft. Schließlich unterliegt auch die Schwester bislang nicht der Börsenaufsicht, sondern einer staatlichen Aufsicht, der die Vorgänge bei Freddie Mac entgangen waren. Ihr Aktienwert stürzte an der Wall Street von über 75 zwischenzeitlich auf knapp 60 Dollar ab.
Mehr Vertrauen in Fannie Mae zeigte die Ratingagentur SAM (Sustainability Asset Management) Indexes GmbH aus Zürich. Sie nahm im September das Unternehmen neu in den Nachhaltigkeitsindex Dow Jones Sustainability Index (DJSI) World auf. Marion Swoboda, bei SAM für Fannie Mae zuständige Analystin, begründet die Aufnahme auf Nachfrage damit, dass das Schwesterunternehmen weitaus transparenter sei als Freddie Mac. Fannie Mae zeichne sich vor allem durch soziale Verantwortung aus und habe das Potenzial, sich in ökologischer Hinsicht weiter zu verbessern.
Thomas Meier, bei der Union Investment für den Nachhaltigkeitsfonds LIGA-Pax-Balance-Union zuständig, findet sogar für Freddie Mac ein gutes Wort. Die Bilanzfehler seien kein kriminelles Vergehen, sondern eine überdehnte Auslegung der Rechtsnormen. „Die wichtigen sozialen Ziele der beiden Unternehmen sehen wir dadurch nicht gefährdet.“ Beide Unternehmen würden sich nun zweifellos der jüngst von Finanzminister John Snow geforderten verschärften Aufsicht unterstellen. Man könne darauf vertrauen, dass der Staat nun eine deutlich verbesserte Kontrolle leiste. Schließlich seien Fannie Mae und Freddie Mac die größten Anbieter von Investments im Immobiliensektor und dieser die letzte stabile Bastion der US-Wirtschaft.
Kritischer kommentieren Stimmen aus dem Fondsmanagement der Schweizer Bank Sarasin die Vorfälle bei Freddie Mac, etwa Erol Bilecen. Er bezeichnet die geglätteten Bilanzen als ungeheuer kritischen Vorfall. Solche Fehler in der Überwachungsstruktur seien entweder auf Dummheit oder auf Boshaftigkeit zurückzuführen. Beides laste schwer auf dem Hypothekenfinanzierer, der nun Anstrengungen unternehmen müsse, um das Vertrauen zurück zu gewinnen. „Das Unternehmen steht bei uns unter verschärfter Beobachtung“, ergänzt Klaus Kämpf, der bei Sarasin für Freddie Mac zuständige Nachhaltigkeitsanalyst. Angesichts der sozialen Leistungen solle eine Neubewertung des Nachhaltigkeitsratings nicht vorschnell erfolgen. Vorläufig warte man ab, ob bei den Untersuchungen durch die staatliche Aufsicht weitere Dinge ans Licht kämen. Schließlich sei der soziale Nutzen der Produkte von Freddie Mac hoch zu bewerten. Auch sei dort die Behandlung der Mitarbeiter herausragend gut. „Bislang überwiegen die Vorteile“, so Kämpf. Ähnliches gelte für Fannie Mae. Doch obwohl aus Nachhaltigkeitssicht weiterhin positiv bewertet, seien die Aktien beider Unternehmen nun in keinem von Sarasin verwalteten Fonds mehr enthalten. Der politische Druck habe wie Blei auf dem Aktienkurs gelastet und die starke Verunsicherung am Markt letztlich das Fondsmanagement dazu bewogen, diese Wertpapiere zu verkaufen. JÜRGEN RÖTTGER / www.ECOREPORTER.DE