Zukunftsdenken „mangelhaft“

betr.: „Deutschland spart sich dumm“, taz vom 14. 9. 04

Während die OECD bemängelt, dass in Deutschland immer noch weniger junge Menschen studieren als in den meisten anderen westeuropäischen Staaten, arbeiten die Minister von CDU/CSU und FDP fleißig daran, mittels Studiengebühren die öffentlichen Bildungsausgaben und damit die Anzahl angehender Akademiker weiter zu senken. Auch das strikte Festhalten am dreigliedrigen wilhelminischen Schulsystem und der mangelnde Ehrgeiz, das Kindertagesstättenangebot endlich internationalen Normen anzupassen, zeugen von mangelndem Zukunftsdenken. In dieser Form sind CDU/CSU und FDP ein Standortrisiko für die Bundesrepublik Deutschland! RASMUS PH. HELT, Hamburg

betr.: „Deutschland verfehlt Klassenziel“, „Kinder fördern – Eltern fordern“, taz vom 15. 9. 04

Ineffizient? Rückständig? Perspektivlos? Ohne Vision? Die Bildungsprüfer scheinen nicht zu erkennen, worauf es ankommt! 10 Prozent der Schüler ohne Schulabschluss – das entspricht der Zahl derjenigen, die in ihrem Leben niemals einen Arbeitsplatz bekommen werden. Warum sollte man da investieren? […] Alle haben wir doch inzwischen gelernt: Alles für die Leistungsträger! Diejenigen, die es dann schaffen, 300 Milliarden Euro an der Steuer vorbei ins Ausland zu schaffen. Ein Scherzkeks, der nicht die Methode darin erkennt.

Die Frage ist allerdings, ob die Studie genug differenziert: Der hohe Durchschnittswert der Aufwendungen für Studierende sagt offensichtlich gar nichts, wenn man das Hohl- oder Flachschulstudium begutachtet, wie man es als Nicht-Leistungsträger erhält. Ebenso betrachte man Sek-II-Schulen an zwei verschiedenen Orten, z. B. Königstein im Taunus und Schwalbach am Taunus, (keine 10 km voneinander entfernt, Königstein – gut situiertes Bürgertum, Schwalbach – Problemstadtteil, viele Ausländer, Arbeitslose usw.) Dann erkennt man erst, wie klarsichtig unsere Politik unterscheidet, wo es zu investieren lohnt, und wo nicht. Ja, Herr Metzger: Was bringt die vergebliche Mark im Bildungssystem, wenn sie irgendwo sonst: auf des Leistungsträgers Schwarzkonto im Ausland sein könnte!

FRIEDEMANN SCHMIDT, Oldenburg

Viele Eltern, besonders Eltern aus den ärmeren Schichten, sind bereits durch die jetzigen Forderungen von Kindergarten und Schule überfordert. […] Was ich mir wünsche, um am Bildungsauftrag als Vater für meine Kinder mitwirken zu können: Endlich wieder Kostenfreiheit der öffentlichen Büchereien, erschwingliche Eintritte für Museen und Tierpark, kostenfreie Jugendkonzerte, klassisch als auch Pop/Jazz/Rock, erschwingliche Eintritte in die Schwimmbäder statt der Bau von Luxusanstalten. Gerechte Bezahlung für die Arbeit. Und nicht zuletzt: Ein gesetzlich wirklich greifendes Modell einer möglichen (individuellen)Arbeitszeitverkürzung – kein Fake! –, um mit den Kindern überhaupt etwas unternehmen zu können. Alle anderen Forderungen mögen Sie nachher stellen.

OTTO J. BERTELE, München

Reiner Metzger schreibt, im dreigliedrigen Schulsystem bleiben die Dummen jeden Grades unter sich. Die OECD macht doch gerade aufmerksam, dass Schulerfolg weniger eine Frage von Dummheit ist, sondern von mangelnder Förderung, vor allem der Kinder aus sozial benachteiligten Schichten. Das intellektuelle Potenzial ist da, aber die individuell ausgerichtete Förderung z. B. bei Sprach-, Wahrnehmungs-, Konzentrationsproblemen usw. fehlt. Auch sein Vorschlag „Vorladungen“ und „verbindliche Kurse“ für Eltern zu organisieren, um diese bei der Überwindung der Bildungsmisere ins Boot zu bekommen, klingt sehr nach schwarzer Pädagogik.

Was wir brauchen, sind neue Wege dahin, dass Eltern und ErzieherInnen und Lehrkräfte Partner werden können, und zwar getragen von gegenseitigem Respekt. Die für jedes Kind gemeinsam von Eltern, pädagogischen Kräften und Kindern ausgearbeiteten Förderpläne in den finnischen Vorschulen könnten für solch ein anderes Lernklima Modell sein. RITA WOLL, Bad Liebenzell

So lange überfüllte Klassen, überlastete oder unmotivierte Lehrer sowie schlecht ausgestattete und marode Schulen das Bild der deutschen Schullandschaft bestimmen, ist es völlig egal, ob der Unterricht nun in einer Haupt-, Gesamt-, oder Ganztagsschule ausfällt. Indem man Schülern und auch Lehrern einfach mehr Arbeitsstunden auferlegt, schafft man noch lange keine angenehme Arbeitsatmosphäre und erst recht keine Lust zu lernen.

Ob man das Schulsystem umstrukturiert, kann man sich immer noch überlegen wenn überhaupt erst mal die Bereitschaft da ist genügend Geld in Bildung zu investieren – und zwar nicht in einzelne Prestigeprojekte der jeweiligen Länderregierungen, sondern in die ganz profane Grundversorgung. Die Phrase, dass Bildung die Zukunft unsere Landes ist, wird leider viel öfter gedroschen als beherzigt, dabei könnte es wirklich keinen fataleren Ort für Einsparungen geben. TIM ARETZ, Aachen

“… verbindliche Kurse, Vorladungen, Spezialprogramme, Spielzentren …“ – und wer dann die „verbindlichen Kurse“ schwänzt, wird zwangsbelehrt oder muss seine Kinder in optimal fördernden Familien abgeben? Oder wie soll ich das weiterdenken. Und wer ist es denn dann eigentlich, der die Kompetenz hat, diese Kurse, am besten bundeseinheitlich, natürlich bei wechselnden Parlamentsmehrheiten mit jeweils wechselndem Erziehungs- und Förderziel, durchzuführen?

Keine Diskussion, dass über die Inhalte, die unsere Schulen vermitteln, immer neu geredet werden muss, natürlich auch über die Form (ein-, zwei-, dreigliedrig, ganztags, halbtags, auch am Samstag, mit Uniform oder ohne, koedukativ), aber die Inhalte sind wichtiger. Als Vater von inzwischen vier Schulkindern wundere ich mich nicht selten, womit meine Kinder sich beschäftigen müssen. In unserer Gesellschaft läuft vieles schief, was unsere Kinder betrifft. Kein Wunder, wenn man in Ihnen häufig primär Konsumenten sieht, aber dem erzieherische Zwangsinstrumentarien entgegenzusetzen, dürfte kaum die richtige Antwort sein. Vielleicht demnächst Zulassungstests zu Elternschaft? MICHAEL GILBERT, Werne

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