EU-Länder stellen Weltpolizisten auf

Fünf EU-Verteidigungsminister wollen eine gemeinsame „Gendarmerie-Truppe“ aufbauen, ohne die Mitwirkung Deutschlands. Noch sind die EU-Mitglieder weit davon entfernt, ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf einen Nenner zu bringen

AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER

Fünf EU-Verteidigungsminister kündigten gestern an, bis Ende 2005 eine gemeinsame 800 Mann starke „Gendarmerie-Truppe“ aufbauen zu wollen. Am Rand eines Treffen der 25 EU-Ressortchefs im niederländischen Noordwijk unterzeichneten Italien, Spanien, Portugal, die Niederlande und der Initiator Frankreich eine entsprechende Absichtserklärung. Der deutsche Verteidigungsminister Peter Struck, der den Plan zuvor öffentlich gelobt hatte, schloss eine deutsche Beteiligung aus, da die Aufgaben von Bundeswehr und Polizei in Deutschland streng getrennt seien.

Die Arbeitsplatzbeschreibung der künftigen Weltpolizisten, die laut französischer Verteidigungsministerin Michele Alliot-Marie im Grenzbereich zwischen Militäreinsatz und Zivilschutz agieren sollen, berührt in Deutschland ein sensibles innenpolitisches Streitthema. Sowohl Politiker der CDU als auch Liberale hatten in den vergangenen Monaten gefordert, die Bundeswehr im Innern einzusetzen – zum Beispiel zur Terrorbekämpfung. Verteidigungsminister Struck hatte das vehement abgelehnt.

Deutschlands widersprüchliche Haltung in dieser Frage zeigt, wie schwer sich die EU-Staaten tun, im Verteidigungsbereich eine einheitliche Linie zu entwickeln. Während die Polizei in Deutschland Ländersache ist, gibt es in Frankreich und Spanien parallele Strukturen von nationaler Gendarmerie und kommunaler Polizei. Die Versuche, im Bereich der Verteidigung und Krisenintervention europäische Kräfte zu bündeln, haben inzwischen zu einem unübersichtlichen Flickenteppich an Initiativen geführt.

So einigten sich Frankreich und Spanien am Donnerstag darauf, eine binationale Polizeigruppe zu gründen, die gegen islamische Terroristen vorgehen soll. Frankreich und Deutschland haben in den vergangenen Jahren multinationale Brigaden und andere Formen der Verteidigungszusammenarbeit entwickelt. Die nationale Zusammensetzung ist jeweils unterschiedlich, die Zielsetzung oft wage. Die Entscheidungen über Einsatzbereiche und Aufgaben treffen weder EU-Gremien noch nationale Instanzen, sondern jeweils unterschiedliche zwischenstaatliche Ausschüsse.

Nun will die EU ab 2005 über kleine schlagkräftige Einsatzkommandos, so genannte battle groups, verfügen. Wie Verteidigungsminister Struck gestern in Noordwijk erläuterte, sollen sie bis zu 6.000 Kilometer von Europas Außengrenzen entfernt eingesetzt werden können. Ein Blick auf den Globus zeigt, dass der Sudan ebenso in diesem Radius liegt wie der Irak oder Tschetschenien. Bislang gehen die Auffassungen der Regierungen über Europas neue Rolle in der Welt allerdings viel zu weit auseinander, als dass ein solcher Einsatz absehbar wäre

Nicht einmal innerhalb bestehender Militärbündnisse wie die Nato fahren die daran beteiligten EU-Staaten eine einheitliche Linie. So wurde gestern am Rand des Verteidigungsministertreffens bekannt, dass Frankreich, Spanien und Belgien Vorbehalte gegen den Einsatz von etwa 200 Nato-Ausbildern in Bagdad ange-meldet haben. Am Mittwochabend hatte es bereits so ausgesehen, als sei dieses Projekt, mit dem die Nato symbolisch den Amerikanern im Irak den Rücken stärken will, beschlossene Sache. Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer kündigte für Montag eine Sondersitzung an, auf der die Vorbehalte ausgeräumt werden sollen. Ungeklärt sei die Finanzierung und die Frage, wer für den Schutz der Ausbilder zuständig sei.