: Radeln, bis der Helm pfeift
Auf der Fahrradmesse in Köln sind echte Neuheiten rar. Wer kann auch schon das Rad neu erfinden. Lediglich im Zubehör regiert Erfindergeist. Allerdings mit manchmal fragwürdigen Ergebnissen
VON CHRISTIANE MARTIN
Till Schramm schwitzt. Er tritt kräftig in die Pedale seines Rennrades – bergauf, bergab quer durch ein virtuelles Verona. Der 19-jährige Triathlet strampelt sich in der Kölner Messehalle auf einem Rollentrainer ab und starrt auf einen Computerbildschirm, der die Fahrt durch die italienische Stadt simuliert. Rechtskurve, Linkskurve. Schramms Fahrrad, das auf einen Ständer montiert ist und mit dem Hinterrad über eine Gummirolle gleitet, neigt sich zwar nicht zur Seite. Aber wenn die Straße ansteigt, dann wird das auch für ihn zur Realität. Der Widerstand der Rolle erhöht sich und der Profisportler muss einen Zahn zu legen. Je mehr er rast, desto schneller fliegen auch die Bäume am virtuellen Straßenrand vorbei.
Elektronischer Radsimulator, Rollentrainer und neuartige Sportkosmetika sind Highlights auf der Internationalen Fahrradmesse IFMA, die vom 16. bis 19. September in Köln das Neueste vom Neuesten auf dem Velo-Markt zeigt. Aber wer kann schon das Rad neu erfinden? BMX-Räder, Klappräder, Cruiser, Mountainbikes, Tandems oder Einräder glänzen seit Jahren auf der IFMA. Auch das Trekkingrad als alltagstaugliches Sportfahrrad ist nicht neu, liegt aber weiter voll im Trend. Kein großer Hersteller, der inzwischen nicht mit der komfortablen Kombination von Sportrad, Mountainbike und Stadtrad aufwartet.
Die echten Innovationen beschränken sich auf Zubehör – mit manchmal fragwürdigem Nutzen. Dornensichere Expeditionsreifen sollen den Spaßfaktor bei Fahrradausflügen in die Wüste erhöhen. Tragegurte fürs Kinderrädchen könnten Eltern das Leben erleichtern, wenn der radelnde Nachwuchs müde wird und nicht mehr fahren will. Mit dem Kind auf dem Arm und dem Fahrrad über der Schulter kann dann der Spaziergang fortgesetzt werden. Profi-Radrennfahrer können mit dem neuen pfeifenden Helm ihre Aerodynamik steigern. Befindet sich ihr Kopf außerhalb der Ideallinie, stößt der Helm einen Warnton aus.
Überzeugend ist dagegen die Erfindung von Bruno Langhanki. Ganz am Rand der Messe auf einem bescheidenen Stand führt der 78-Jährige seine patentierten Fahrradschlösser vor, den „Schreck für Diebe“, wie es auf seiner Werbetafel heißt. „Bolzenschneider sind erfunden worden, um Rundmaterial zu zerschneiden. Also müssen schwer zerstörbare Fahrradschlösser aus flachen Bändern sein“, erklärt Langhanki seine nahe liegenden und dennoch revolutionären Erkenntnisse. Damit Fahrraddiebe aber auch mit der Blechschere nicht erfolgreich sind, lässt der findige Schlosser in seine Flachbandschlösser einen dünnen Runddraht einarbeiten.
Noch widerstandsfähiger, weil aus zweilagigem Edelstahl, ist seine neueste Erfindung: das Felgenband. Hier kommen Kriminelle auch mit elektronischen Schneidegeräten nur mühsam durch und vor allem nicht ohne das Hinterrad dabei zu beschädigen. Die innovativen Fahrradschlösser kosten zwischen 9 und 35 Euro, was verglichen mit den Schlössern großer Hersteller recht preiswert ist. Dabei werden sie nicht einmal in Billiglohnländern hergestellt, sondern in Deutschland und mit zusätzlichem sozialen Engagement. Behinderte der Werkstätten in Bedburg-Hau montieren die Schlösser. Auch hier war Langhanki als Erfinder gefragt. Er hat Arbeitshilfen entwickelt, die an die motorischen Fähigkeiten der Behinderten angepasst sind und eine reibungslose Fertigung ermöglichen. Beinahe diebstahlsichere, bezahlbare und auch noch ethisch korrekte Fahrradschlösser – am Ende also doch ein echtes Messe-Highlight.