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Archiv-Artikel

Würstchen verkaufen ist zumutbar

Welche „Verbesserungen“ haben die Linken erreicht bei den Arbeitsmarktreformen? Eine erste Interpretation

BERLIN taz ■ Erste Kritiker, zum Beispiel der Grüne Christian Ströbele, erkennen „deutliche Verbesserungen“ bei den Arbeitsmarktreformen. Nun ist „deutlich“ ein auslegungsfähiger Begriff. Wie viel besser sind also die „Verbesserungen“ beim Arbeitslosengeld II, das künftig alle Langzeitarbeitslosen erhalten sollen?

Stichwort Zumutbarkeit: Der Gesetzentwurf war bisher so schwammig, dass für Langzeitarbeitslose jede noch so niedrige Entlohnung denkbar schien. Einzig das bürgerliche Gesetzbuch schien eine Untergrenze einzuziehen, die „sittenwidrige“ Ausbeutung verbietet. Doch wäre dies ein schwacher Schutz gewesen, hätten die Langzeitarbeitslosen doch klagen müssen. Jetzt soll das Gesetz „ortsübliche Löhne“ vorschreiben.

Damit ist jedoch das Hauptproblem der linken Kritiker nicht beseitigt, für das die SPD-Abgeordnete Sigrid Skarpelis-Sperk ein medienwirksames Bild fand. Die neuen Zumutbarkeitskriterien seien so gestaltet, „als wenn der Wirtschaftsminister plötzlich Würstchen beim VfL Bochum verkaufen müsste“. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz konterte gestern kühl, er würde Würstchen verkaufen. „Was ist das für eine Vorstellung von der Welt, dass man eine Arbeit für unwürdig hält, die man anderen zumuten will.“ Grünen-Chef Reinhard Bütikofer versicherte, dass die Jobcenter „keine Anstalt für öffentlichen Sadismus“ seien. Dennoch bleibt es weitgehend ins Ermessen der Arbeitsämter gestellt, wie stark sie die Qualifikation eines Langzeitarbeitslosen berücksichtigen.

Stichwort Anrechnung von Altersvorsorge: Langzeitarbeitslose dürfen künftig 400 Euro pro Lebensjahr behalten. Ursprünglich vorgesehen waren nur 200 Euro. Damit sollte fortgeschrieben werden, was für Arbeitslosenhilfeempfänger schon seit Januar gilt. Insofern korrigiert das Reformgesetz „Hartz IV“ nun schon frühere Hartz-Gesetze. Dies ist nicht nur der Kritik der Linken geschuldet: Zahllose Arbeitslosenhilfeempfänger sind vor die Sozialgerichte gezogen, um sich dagegen zu wehren, dass sie zwangsweise ihre Lebensversicherungen auflösen müssen. Für die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger ist diese Neuregelung eine Verbesserung. Sie durften bisher nur etwa 1.000 Euro besitzen.

Stichwort Unterhaltspflicht: Eltern müssen nicht für Kinder aufkommen, die Arbeitslosengeld II beziehen, und umgekehrt. Allerdings sind diese Fälle sowieso eher selten. Es handelt sich eher um eine rechtliche Klarstellung. ULRIKE HERRMANN