DER UN-SICHERHEITSRAT LÄSST DIE MENSCHEN IN DARFUR IM STICH : Völkerrecht bricht Menschenrecht
Macht es einen Unterschied, ob der UN-Sicherheitsrat eine Resolution zum Konflikt in Darfur verabschiedet oder nicht? Nicht für die Not leidende Bevölkerung Darfurs – so viel ist sicher angesichts des diplomatischen Eiertanzes, der der am Samstag beschlossenen Resolution 1564 vorausging. Drei Entwürfe mussten die USA vorlegen, bevor China und Russland sich – statt eines Vetos – wenigstens zur Enthaltung durchringen konnten. Damit wurde der Resolution jegliche Dimension genommen, die dazu hätte führen können, dass Sudans Regierung tatsächlich ihr Verhalten in Darfur verändert. Von Strafmaßnahmen ist jetzt nur in der Konditionalform die Rede – und zwar zu einem unbestimmten Zeitpunkt in der Zukunft. Nicht einmal mehr ein Flugverbot über Darfur für Sudans Luftwaffe ist übrig geblieben.
Was die Frage angeht, ob in Darfur ein Völkermord stattfindet, bildet der Sicherheitsrat eine Untersuchungskommission. Na fein. Was ist, wenn irgendwann einmal eine solche Kommission feststellen sollte, es habe tatsächlich Akte des Völkermordes gegeben? Wird dann der Sicherheitsrat eine zweite Untersuchungskommission einsetzen, um zu klären, warum im Jahr 2004 nichts geschah?
Natürlich konnte der Sicherheitsrat gar nicht anders. Wenn unter den Vetomächten keine Einigkeit herrscht, kann der Rat eben nur den kleinsten gemeinsamen Nenner beschließen. Mehr geht nicht. Das alles ist aus Sicht derer, die die Einhaltung des Völkerrechts für das höchste Gut in den internationalen Beziehungen halten, völlig in Ordnung. Völkerrechtskonform ist, wenn Diktaturen verhindern, dass internationale Schritte zum Schutz einer notleidenden Bevölkerung unternommen werden können. Völkerrechtswidrig wäre es, wenn ein Ratsmitglied nun doch etwas tut, was der Rat nicht beschlossen hat. So wie 2003 die USA im Irak. Das war illegal, wie UN-Generalsekretär Kofi Annan gerade vor wenigen Tagen erneut betont hat. Zu Darfur fällt ihm dieses Wort nicht ein. Völkerrecht bricht Menschenrecht – das lernten wir erneut vom UN-Sicherheitsrat an diesem Wochenende. DOMINIC JOHNSON