: Denken in Übergröße
Der amerikanische Milliardär Frank Stronach hat mit Austria Wien große Pläne. Heute könnten diese allerdings durch das Aus im Uefa-Cup-Spiel bei Borussia Dortmund erneut einen Dämpfer erhalten
aus Wien MARKUS VÖLKER
Frank Stronach ist immer nach einer gewagten Strategie verfahren: „Wer etwas Großes erreichen will, muss etwas Übergroßes anstreben.“ Im Geschäftsleben hat ihm sein Motto zu beachtlichem Erfolg verholfen. Als 20-jähriger Werkzeugmacher zog er, damals noch unter dem Namen Franz Strohsack, nach Amerika, um die unbegrenzten Möglichkeiten zu testen. Er brachte es weit, Stronach gilt als Tycoon der Auto-Zuliefererbranche. In Österreich führt er den Magna-Konzern, autokratisch versteht sich – er allein ist der Mann, der die Entscheidungen trifft. Maßt sich ein Unterstellter zu viel Kompetenzen an, ist es um dessen Karriere geschehen – jedenfalls im Einflussbereich des Frank Stronach. Seine Reichweite ist beträchtlich im kleinen Österreich.
Neben Magna, das er vor dem Zugriff der Gewerkschaften schützt, unterhält Stronach eine Art zirzensisches Nebenunternehmen. Er mischt sich seit Jahren in den österreichischen Fußball ein, entwirft seine XXL-Visionen, nur sind sie stets um einige Nummern zu groß geschnitten für das Alpenland, das nach dem Übergriff wie ein Hänfling im Schlabberpulli dasteht. Austria Wien ist seit drei Jahren Stronachs Steckenpferd, das er mit Geld aus dem austro-kanadischen Business versorgt. 20 Millionen Euro lässt sich der Milliardär den Spaß am Laaer Berg, der Spielstätte der Violetten, pro Anno kosten. Der Rest der österreichischen Liga wäre schon über die Hälfte froh.
Von Wettbewerbsverzerrung ist häufig die Rede, doch heute ist es die Austria, die ins finanzielle Hintertreffen gerät. Die Wiener treten zum Uefa-Cup-Rückspiel bei Borussia Dortmund an; das Hinspiel ging im Ernst-Happel-Stadion 1:2 verloren. Und die Aussichten für den BVB auf ein Weiterkommen sind nicht nur wegen des Erfolges in Österreich gut: Austria Wien ist in Uefa-Wettbewerben fünfmal gegen deutsche Mannschaften angetreten – und hat fünfmal verloren. Zudem kann BVB-Trainer Matthias Sammer wieder auf Rosicky und Fernández zurückgreifen. Die Rückkehrer verringern Sammers Verletzungssorgen ein wenig, auch wenn sich nach wie vor fast eine komplette Elf im Krankenstand befindet.
Die Chance, in diesem Jahr in der Champions League zu spielen, ist der Austria entgangen. Man scheiterte an Olympique Marseille. Die Aussicht auf die höchste europäische Spielklasse hatte Coach Christoph Daum eröffnet. Er machte das Team zum Meister und Pokalsieger, verabschiedete sich dann aber in Richtung Türkei. „Stronach war mit Daum extrem glücklich“, teilt Magna-Sprecher Andreas Rudasch, zugleich Geschäftsführer der Austria Wien übergeordneten Gesellschaft SMI, mit. „Leider ist Daum ein stetig Suchender“, sagt er. Ein Nachfolger war dennoch schnell gefunden, kein Wunderwuzzi (österreichisch für Wundertäter) vom Schlage eines Daum, sondern einer, „der vom Charakterbild her Stabilität garantiert“. Joachim Löw wurde für zwei Jahre verpflichtet, denn Stabilität hat Austria bitter nötig. Manch ein Beobachter machte in der Austria-Geschäftsstelle das Epizentrum von hire and fire aus. Der Klub verbrauchte zwölf Trainer in zehn Jahren.
Unter der Regentschaft von Stronach verkürzte sich die Verweildauer eines Coaches im Schnitt auf sechs Monate. Zudem betrieb der Verein eine fragwürdige Personalpolitik. Auf 54 Neuverpflichtungen kam Austria in Stronachs Zeit. Allein elf Neue hatte Löw zu integrieren. Rudasch erklärt die Fluktuation so: „Nachdem Austria vor zehn Jahren zum letzten Mal Meister wurde, entstand ein großes Loch. Stronach musste die Defizite in kürzester Zeit aufholen – das führt eben zu Reibungsverlusten und Fehlern in der Personalplanung.“ Stronach lässt sich von derlei Kleinigkeiten nicht vom Weg abringen. Rudasch: „So etwas motiviert ihn zusätzlich.“ Jogi Löw ist clever genug, um sich nicht mit Stronach anzulegen. Trotz der verpassten Champions League erhielt er kürzlich die Absolution vom Vereinsdemiurgen: „Der Jogi arbeitet gut“, sagte Stronach, schickte aber die Mahnung hinterher: „Als Eigentümer gebe ich vor, was zu geschehen hat. Wir brauchen ehrliche Kämpfer, die ein Herz für Austria haben.“
Nicht vielen geht das Herz auf ob des Spiels der „Magna-Söldnertruppe“ (Der Standard). Das Zuschauerinteresse ist begrenzt. Der Klub erwehrt sich des Images, eine leicht zu plündernde Goldgrube zu sein. „Wir wollen das mit einer besseren Außendarstellung beheben“, sagt Löw. Kürzlich sprach er in einem Interview davon, mit Austria Wien dem Vorbild Bayern München folgen zu wollen. Das dürfte seinem Boss außerordentlich gut gefallen haben. Man muss einfach nur das Übergroße wollen, um das Große zu schaffen.