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Archiv-Artikel

Eigenständiges Ziel

Gespräch mit der palästinensischen Tourismusministerin Khouloud Daibes zur Zukunft des Tourismus in ihrem Land

KHOULOUD DAIBES ist Architektin, Denkmalpflegerin und Stadtplanerin. Sie hat in Hannover Architektur studiert und leitet seit sechs Jahren das Zentrum für die Erhaltung des kulturhistorischen Erbes in Bethlehem (Center for cultural heritage preservation). Mitte März wurde sie als Ministerin für Tourismus und Archäologie in das Kabinett der neuen palästinensischen Autonomieregierung berufen.

taz: Frau Daibes, Sie haben auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin ihren „Code of conduct“ vorgestellt, der sich um nachhaltigen und sozialverantwortlichen Tourismus dreht. Was verspricht sich Palästina von der Zusammenarbeit mit NGOs wie dem Arbeitskreis für Tourismus oder dem evangelischen Entwicklungsdienst?

Khouloud Daibes: Wir sind dabei, unsere Fachleute in diesem Bereich zu trainieren, weil wir die Qualität unseres Angebots verbessern wollen. Diese Zusammenarbeit hilft beim Austausch von Informationen, beim Know-how und beim Marketing. Der verantwortliche und faire Tourismus ist ein interessanter Ansatz für uns.

Wie sehen die Zahlen zum Tourismus in Palästina aus?

2008 kamen eineinhalb Millionen Besucher. Im Vergleich zum Vorjahr waren das 100 Prozent mehr. Wichtiger ist, dass die Zahl der Übernachtungen 2008 gestiegen ist, was wiederum die Investoren in der touristischen Infrastruktur ermutigt hat.

Wie steht es um die touristische Infrastruktur?

Die ist sehr klein. Wir haben 4.000 Betten. Der Tourismus konzentriert sich in dem Dreieck Bethlehem, Jerusalem und Jericho. Wir wollen unsere Kapazität momentan um 50 Prozent steigern. Aber es gibt auf einer kleinen Fläche auch eine Vielzahl von Landschaften, die man in kurzer Zeit erleben kann. Von Jerusalem zum Toten Meer ist es eine halbe Stunde.

Es ist ungewöhnlich, dass ein Land, das doch relativ unbedeutend ist auf der touristischen Landkarte, eine Tourismusministerin hat.

Jetzt, wo die Arbeitslosenrate in Palästina sehr hoch ist, ist der Tourismus auch ökonomisch sehr wichtig für uns. Es hat aber auch eine symbolische Bedeutung, wenn Palästina hier auf der Messe vertreten ist. Wir wollen darauf hinweisen, dass es ein eigenständiges Reiseziel ist, auch wenn es unter Besatzung steht. Wir hoffen, durch Tourismus auch einen politischen Nutzen ziehen zu können, denn dadurch öffnet sich Palästina für die Außenwelt. Trotz der Isolierung durch Mauer und Besatzung.

Welche ökonomische Rolle spielt der Tourismus?

Wir haben Erdöl und die heiligen Stätten. Wir waren trotz schwieriger Situationen in der Lage, durch Tourismus etwa 10 Prozent unseres Bruttosozialprodukts zu erwirtschaften. Das ist sehr hoch.

Welche Touristen kommen hauptsächlich?

80 Prozent Pilgertouristen, aber es gibt mehr und mehr Gruppen, die aus Solidarität mit den Palästinensern kommen, oder solche, die bewusst mehr über das Land erfahren möchten. Wir versuchen im Ministerium auch andere Bereiche zu etablieren: Ökotourismus, Jugendtourismus Kulturtourismus. So feiern wir in Jerusalem dieses Jahr, und nächstes Jahr ist das 13.000. Jubiläum von Jericho. Wir wollen auf den kulturellen Reichtum unseres Landes hinweisen, etwas zeigen, trotz des politischen Rahmens, der sehr unangenehm ist. Wo vor allem die Bewegungsfreiheit nicht unbedingt gewährleistet ist. Aber die politische Situation macht das Land für viele Besucher interessant. Tourismus in Palästina hängt von der politischen Situation ab – und vom Goodwill der Israelis, den TouristInnen Zugang zu gewähren. Denn diese erreichen Palästina ausschließlich über Israel.

Der Tourismus nach Israel boomt. Ist das auch Potenzial für Palästina?

Die größte Herausforderung ist unsere Beziehung zu Israel. Wir benötigen klare Abmachungen. Ohne Bewegungsfreiheit wird Palästina von Israel weiterhin einfach für den eigenen Tourismus genutzt. INTERVIEW: EDITH KRESTA