: Was kümmert Scherf das Parlament
Die 500.000 Euro an die Grass-Stiftung durch die Senatskanzlei waren rechtswidrig, sagen die Grünen und präsentieren neue Beweise. Danach soll des Bürgermeisters rechte Hand, der Chef der Senatskanzlei, sogar gelogen haben
Bremen taz ■ Schwarz auf weiß haben es sich die Grünen gestern bei einer Einsicht in die Akten der Senatskanzlei bestätigen lassen: Bei der Zahlung der 500.000 Euro an die Grass-Stiftung ging es nicht mit rechten Dingen zu. Die Verantwortung für den Vorgang müsse Bürgermeister Henning Scherfs (SPD) rechte Hand, der Chef der Senatskanzlei, Reinhard Hoffmann, übernehmen, fordern die Grünen. Die Bürgerschaft solle den Senat auffordern, Hoffmann zu entlassen, sagte gestern der grüne Finanzpolitiker Jan Köhler.
„Er hat bewusst einen Mitarbeiter beim Finanzsenator angelogen, damit das Geld ausgezahlt werden konnte“, so Köhler. Dabei bezieht er sich auf ein Schreiben Hoffmanns vom 2. Februar dieses Jahres, in dem dieser darum bittet, 500.000 Euro aus einer Zahlung des Energieunternehmens Eon an die Senatskanzlei weiterzugeben. Diese würde das Geld dann der Stiftung übermitteln, so wie es mit der Eon angeblich vereinbart worden war. Angehängt ist ein Vermerk, in dem aufgelistet ist, wie Bremen und die Eon sich über die Verteilung von insgesamt fünf Millionen Euro verständigt hätten: 2,5 Millionen für Spielplätze, 750.000 für das Überseemuseum, 1,25 Millionen für ein „hervorgehobenes Projekt in Bremerhaven“. Der Hintergrund: Gezahlt hatte Eon insgesamt 20 Millionen Euro für den Verkauf ihrer Anteile an der SWB AG. 15 Millionen Euro waren direkt an die private International University Bremen (IUB) geflossen (taz berichtete) – hierfür hatte es eine Vereinbarung zwischen Bremen und der Eon gegeben. Die weiteren 5 Millionen, darunter die 500.000 an die Grass-Stiftung, hingegen waren – anders als von Hoffmann behauptet – ohne Zweckbestimmung und hätten deshalb in den bremischen Haushalt einfließen müssen, über den das Parlament entscheidet, kritisieren neben den Grünen auch die Abgeordneten der anderen Fraktionen.
Der Rechtsverstoß wiege umso schwerer, als das Geld in der so genannten haushaltslosen Zeit verteilt wurde, sagte Köhler. Während die anderen Ressorts überhaupt keine neuen Gelder bewilligen konnten, habe die Senatskanzlei mal eben 500.000 an die Grass-Stiftung gegeben – wohl wissend, dass das Parlament diese milde Gabe verweigert hätte. „Das Geld sollte offensichtlich nicht in das allgemeine Haushaltsgetöse kommen“, sagte die Grüne Fraktionschefin und Vorsitzende des Haushaltsausschusses, Karoline Linnert, gestern. Anfang des Monats hatte sie im Haushaltsausschuss in Erfahrung gebracht, dass das Geld im November im Anschluss an eine Senatssitzung in kleiner Runde verteilt worden war: Unter Bürgermeister Henning Scherf (SPD), Bausenator Jens Eckhoff (CDU), Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) und Hoffmann.
Scherf wies gestern die Rücktrittsforderungen und Anschuldigungen der Grünen gegen „seinen langjährig engsten Berater“ zurück. „In der Parlamentsdebatte wird es ausreichend Raum geben, die vielfältigen Verdienste Reinhard Hoffmanns um Bremen zu würdigen und die erhobenen Vorwürfe ein für allemal aus der Welt zu schaffen“, so Scherf. Er danke Hoffmann dafür, dass er eine Vorgabe des Senats zur Verteilung der Mittel so „zügig und umsichtig bearbeitet hat“. Im übrigen hätte die Presse ja bereits die meisten Informationen über die Vorgänge veröffentlicht und er sei „überzeugt, dass wir insgesamt in den Verhandlungen mit Eon in der Sache ein hervorragendes Ergebnis erzielt haben und darüber auch einen breiten Konsens mit den Abgeordneten herstellen.“ Ob es diesen Konsens geben wird, ist offen. Die Parlamentarier der anderen Parteien wollten sich gestern noch nicht zu den neuen Vorwürfen äußern. E. Bruhn