Machtkampf mit Doping

Im Bund Deutscher Radfahrer tobt ein Streit zwischen Präsidentin Sylvia Schenk und Sportdirektor Bremer. Der soll nach taz-Recherchen schon in der Vergangenheit Dopingfälle vertuscht haben

AUS BERLIN FRANK KETTERER

Es gab Zeiten, da stand Sylvia Schenk in unerschütterlicher Loyalität zu ihrem Sportdirektor, ganz egal welchen Skandal der auch gerade wieder produzierte. Mal vermasselte Burckhard Bremer den besten deutschen Bahnradverfolgern den Start bei Olympia und damit wahrscheinliche Medaillen, dann wieder musste er sich noch im Ziel des Straßenrennens unter der Akropolis den Stinkefinger von Silbermedaillengewinnerin Judith Arndt zeigen lassen. Bremer, darüber waren sich ob dessen Machenschaften ziemlich viele Menschen im Bund Deutscher Radfahrer (BDR) einig, war nicht nur Sport-, sondern auch Skandaldirektor. Nur Sylvia Schenk, die Präsidentin, weigerte sich, das ebenfalls so zu sehen.

Dann, es war Mitte letzter Woche, fand eine Sitzung des geschäftsführenden BDR-Präsidiums statt – und alles wurde anders. Seither sind Schenk und Bremer getrennte Leute, Feinde beinahe – zwischen Präsidentin und Sportdirektor tobt seitdem jedenfalls ein Machtkampf, wie er selbst im deutschen Sport nicht alle Tage vorkommt (siehe taz vom 18. September). Und selbst das naturgemäß in verbandspolitischen Dingen defensiv ausgerichtete BDR-Organ Radsport kommt nicht umhin, das Motto dieser Funktionärskeilerei in ultimativen Worten zusammenzufassen: „Entweder er oder ich“, stand dort gestern die Schenk’sche Losung überschriftengroß zu lesen.

Der Grund, warum das Tischtuch zwischen Präsidentin und Sportdirektor so plötzlich so gründlich zerschnitten ist, liefert das Verbandsorgan gleich mit – und schön ist er wirklich nicht. Schließlich geht es um die Ergebnisse einer Blutuntersuchung bei Christian Lademann, Athenstarter auf der Bahn im Vierer wie im Einer. Bei einer Routineanalyse im Juni hatten sich auffällige Veränderungen der Blutwerte bei Lademann ergeben, was nicht unbedingt ein Indiz für Doping sein muss, aber durchaus sein kann. „Das war verdächtig“, sagt auch BDR-Mannschaftsarzt Olaf Schumann. Er sagt aber auch: „Es ist kein Beweis.“ Sportdirektor, Mannschaftsarzt und Bundestrainer Bernd Dittert beschlossen, Lademann und seine (bald wieder normalen) Blutwerte im Auge zu behalten; sie entschieden aber auch, dass der Fall nicht schwerwiegend genug sei, ihn der Präsidentin zu melden.

Sylvia Schenk sieht das anders. Als sie letzte Woche von dem Vorgang erfuhr, wertete sie dies als „eklatanten Vertrauensbruch“, an dessen Ende besagte Vertrauensfrage stand: „Er oder ich.“ Die Gründe, warum die Juristin so sensibel und drastisch reagierte, liefert sie nun in einer Erklärung in Radsport nach. „Ein solcher Fall muss umfassend aufgeklärt werden – das könnte dem betroffenen Athleten sogar noch die Chance einer anderweitigen Erklärung des Sachverhaltes geben – und im Übrigen eindeutige Konsequenzen haben“, schreibt Schenk dort. Und: „Wer im Juni Anlass zu der Vermutung gibt, dass EPO oder verwandte Substanzen eingenommen wurden, kann im August nicht in Athen an den Start gehen. Es sei denn, er kann die Vermutung glaubhaft entkräften. Im Dreiklang von Mannschaftsarzt, Bundestrainer und Sportdirektor den Vorfall zu verschweigen und lediglich zur Vermeidung von Risiken (!!!) die Überwachung eines solchen Athleten durch ständige Bluttests anzuordnen, ist unverantwortlich.“ Entsprechend forderte sie die fristlose Kündigung des Sportdirektors samt Bundestrainer, allein sie fand mit dieser Forderung bei ihren Präsidiumskollegen kein Gehör, schon aus Furcht vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen. „Kein Präsidiumsmitglied außer der Präsidentin hielt eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit Sportdirektor Bremer für angebracht“, heißt es dazu in einer ebenfalls in Radsport veröffentlichten Erklärung der BDR-Vizepräsidenten Fritz Ramseier und Harald Pfab. Seitdem bemüht man sich im BDR, die Reaktion seiner eigenen Präsidentin als überzogen darzustellen – und Sportdirektor Bremer als jenen, der, zumindest diesmal, richtig gehandelt habe.

Daran bestehen laut taz-Recherchen allerdings Zweifel. Nach diesen nimmt der Sportdirektor in Sachen Doping und Verfolgung nicht zum ersten Mal eine eher laxe Haltung ein. Und nicht zum ersten Mal ist darin auch Christian Lademann verwickelt. Bereits 2001, so die taz-Recherchen, soll der in einem Trainingslager auf Mallorca für die Dopingkontrolleure nicht auffindbar gewesen sein, schon damals habe Bremer den Vorfall diskret geregelt, so diskret, dass BDR-Pressesprecher Christian Ermert gestern dazu keine Stellung nehmen konnte. Auch als Lademanns Viererkollege Guido Fulst im gleichen Jahr beim Stuttgarter Sechs-Tage-Rennen mit einer unerlaubten Menge Koffein im Körper erwischt wurde, stellte sich Bremer schützend vor ihn und sorgte dafür, dass Fulst lediglich mit einer Geldstrafe davonkam. Robert Bartko wiederum soll Bremer bereits 1998, damals noch ehrenamtlich, aus der Patsche geholfen haben. Der Doppel-Olympiasieger von Sydney war beim Weltcup in Berlin zwar positiv auf Lidocain getestet worden, konnte damals aber laut BDR ein Attest für das auf der Dopingliste stehende Schmerzmittel nachreichen, woraufhin der Fall diskret zu den Akten gelegt wurde.