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Archiv-Artikel

Schröders Fanclub hat sich aufgelöst

Auf dem IG-Metall-Gewerkschaftstag in Hannover gibt es viele SPD-Wähler, die Schröders Sozialpolitik mit der Agenda 2010 ablehnen. Angst vor dem Absturz auf Sozialhilfe. Gewerkschaftsspitze plant dennoch keine größeren Protestaktionen mehr

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Zumindest „mit eisigem Schweigen werden wir Gerhard Schröder begrüßen“, prophezeite Ilona Mühlhausen, Delegierte des IG-Metall-Gewerkschaftstages. Das war kurz vor der Rede des Bundeskanzlers gestern auf dem Kongress der IG Metall in Hannover. Mühlhausen, Betriebsrätin in einem Metallbetrieb, hatte bei der Bundestagswahl SPD gewählt und ist heute „von der Regierungspolitik enttäuscht“ – wie viele Gewerkschafter. Denn die Agenda lasse „jemanden, der arbeitslos ist, nach kurzer Zeit in die Sozialhilfe abrutschen, auch wenn die dann Arbeitslosengeld II heißt“, sagte Mühlhausen.

SPD-Wähler konnte man gestern zuhauf unter den knapp 600 Delegierten des IG-Metall-Gewerkschaftstages entdecken – Fans der realen Schröder’schen Politik waren darunter jedoch nicht auszumachen. Detlef Nagel, Betriebsrat bei VW Sachsen in Zwickau, sah bei der Agenda nur „die ganzen Einschnitte ins Soziale“.

Die Diskrepanz zwischen den Wahlprogrammen von SPD und Grünen und der unsozialen Politik der Bundesregierung betonte auch Rolf Wehmeier, seines Zeichens 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Unna: „Es ist Wahlbetrug, die so genannten Reformen sind nicht ansatzweise gerecht“, sagte der 50-Jährige, der vor drei Jahren aus der SPD ausgetreten ist. Das Problem der Gewerkschaften sei, „dass unsere Stimme nicht durchdringt“.

Selbst die SPD-Linke Andrea Nahles, die mittlerweile hauptberuflich in Berlin für die IG Metall tätig ist und sich Hoffnungen auf einen Einzug in das SPD-Präsidium macht, wollte Schröder „keine großen Beifallsstürme“ gönnen, auch wenn er wohl „ohne Eier und Tomate hier rausgehen“ werde.

Der IG-Metall-Bezirksleiter Küste, Frank Teichmüller, fasste das Verhältnis von IG Metall und SPD schlicht mit den Worten zusammen: „Noch nie in den letzten 50 Jahren hat es eine derartig unterschiedliche Bewertung der Wirklichkeit zwischen uns und der Regierungs-SPD gegeben.“

Zugeständnisse werde Schröder den Gewerkschaften nicht mehr machen. „Der kämpft um den Erhalt seiner Regierung.“ Damit steuere er „frontal auf eine Konfrontation“ zu. Gegen die Agenda 2010 werde es auf jeden Fall noch Proteste geben. „Diese Form der sozialen Ungerechtigkeit haken wir auch dann nicht ab, wenn die Gesetze beschlossen sind.“

Die VW-Beschäftigten in Sachsen bereiten nach Angaben von Betriebsrat Detlef Nagel schon einen Aktionstag vor.

Doch bei allem Unmut in den mittleren Rängen der IG Metall – die Spitze der Gewerkschaft droht der Bundesregierung keineswegs einen heißen Herbst an. Schließlich waren schon die Proteste gegen die Agenda im Mai weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Ein Antrag des IG-Metall-Vorstandes zur Agenda, den die Delegierten am Freitag beraten sollen, verlangt vor allem „ein mittelfristig ausgerichtetes Konzept“ zur Sozialpolitik. In dem Konzept wird eine „kurzfristige Kampagne“, die „noch auf die Entscheidungen in Bundestag und Bundesrat“ reagieren soll, nur am Ende kurz erwähnt.