: Berliner Richter fliegen auf Tempelhof
Der Flughafen Tempelhof bleibt vorerst geöffnet. Das Oberverwaltungsgericht gibt einem Eilantrag klagender Fluggesellschaften statt. Oppositionsparteien CDU und FDP sprechen von einer „Bruchlandung“ des rot-roten Senats
Der Flughafen Tempelhof wird nicht wie geplant Ende Oktober geschlossen. Das Berliner Oberverwaltungsgericht (OVG) hat gestern zwei gegen die Stilllegung gerichteten Eilanträgen stattgegeben. Geklagt hatten mehrere in Tempelhof ansässige Fluggesellschaften. CDU und FDP sprachen von einer „Bruchlandung“ des Senats.
Hintergrund der OVG-Entscheidung ist eine spitzfindige juristische Konstruktion, mit der der rot-rote Senat den innerstädtischen Airport de facto schließen wollte, ohne ihn de jure stillzulegen. Dafür hatte die Berliner Luftverkehrsbehörde die Berliner Flughafengesellschaft (BFG) zum 31. Oktober von der Pflicht entbunden, den Flughafen Tempelhof weiter zu betreiben. Gleichzeitig wollte sich die Behörde ein Widerrufsrecht vorbehalten. Dies sollte für den Fall gelten, dass der Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau Schönefelds wegen zahlreicher Klagen in naher Zukunft noch nicht rechtsgültig ist oder das Luftverkehrsaufkommen von Schönefeld und Tegel nicht mehr bewältigt werden könnte.
Dieses Hintertürchen hat das Gericht nun zugeschlagen, auch wenn eine Verhandlung in der Hauptsache noch aussteht. Das geltende Luftverkehrsrecht sehe keine Befugnis der Luftverkehrsbehörde vor, einen genehmigten und betriebsbereiten Verkehrsflughafen auf unbestimmte Zeit durch bloße Befreiung von der öffentlichen Betriebspflicht stillzulegen, hieß es.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geht nun davon aus, dass der Flughafen bis 2006 in Betrieb bleibt. Nach der Gerichtsentscheidung muss „der Flughafen Tempelhof von der BFG für die kurze Zeit bis zur endgültigen Schließung weiter betrieben werden“, so Behördensprecherin Manuale Damianakis. Endgültig soll Tempelhof geschlossen werden, wenn der Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Flughafen Schönefelds rechtskräftig ist. Dies wird für 2006 erwartet. Zurzeit klagen betroffene Anwohner und Gemeinden gegen den Flughafen am südöstlichen Stadtrand, der ab 2010 Tegel und Tempelhof ersetzen soll. Die Umsetzung des Konsensbeschlusses werde durch die gestrige Gerichtsentscheidung nicht beeinträchtigt, so Damianakis.
Ähnlich sieht es der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Christian Gaebler. Der Ausbau Schönefelds sei durch die Gerichtsentscheidung nicht gefährdet, so Gaebler gestern. Einer grundsätzlichen Schließung Tempelhofs stehe nichts im Wege. „Da muss man jetzt konsequent sein.“ Auch Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) ging gestern davon aus, dass die Gerichtsentscheidung „keine Konsequenzen für den Zeitplan zum Ausbau Schönefelds“ habe. Der Verlustbringer Tempelhof bleibe erst einmal erhalten. „Das ist nicht schön, aber keine Katastrophe.“
Die Grünen-Fraktion kritisierte hingegen gestern den Senat. Der habe „die richtige Entscheidung zur Schließung handwerklich falsch umgesetzt“, so Fraktionschef Volker Ratzmann.
Dagegen ist die Entscheidung nach Auffassung von CDU und FDP eine „Bruchlandung“ für den rot-roten Senat. FDP-Verkehrsexperte Klaus-Peter von Lüdeke bewertet sie als „wichtigen Etappensieg“ in der Auseinandersetzung um eine Flughafenpolitik im Interesse des Standortes Berlin. Von einem „Sieg der Vernunft“ sprach CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer.
RICHARD ROTHER