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Archiv-Artikel

Absage an den Starkult

In Uruguay spielen sie vor Tausenden, in Hamburg präsentieren sie zum zweiten Mal ihr politisches Engagement:„La Vela Puerca“ spielen heute Abend im Hafenklang ihre Mischung aus Murga, Ska, Reggae, Punk und Salsa

La Vela Puerca entspannen bei Reggae, lieben The Clash und verehren Mano Negra. Und so klingt die Band aus Uruguay auch, die im Mai im Hafenklang ihr grandioses Hamburgdebüt gab. Eine Schiffsbesatzung aus Montevideo empfing die achtköpfige Kapelle, die in Uruguay vor Tausenden aufspielt, gebührend und sorgte dafür, dass der Funke schnell übersprang.

Starthilfe haben Bandleader Sebastían Teysera und Co. jedoch nicht nötig. Live sind die Jungs und ihr musikalischer Eintopf aus Murga, Ska, Reggae, einer Prise Punk und einem Schuss Salsa gigantisch. Vela Puerca wissen, was sie ihren Fans in der Heimat schuldig sind. „Die zwei, drei Stunden live sind für unsere Fans in Uruguay wie ein kurzer Urlaub vom beschissenen Alltag“, erklärt Sänger Sebastían Cebreiro. Vom Alltag, der sozialen Misere und deren Ursache handeln die Texte der politisch engagierten Band. Sie haben daheim in Montevideo zahlreiche Benefizkonzerte zugunsten sozialer und politischer Bewegungen gegeben und sich in Lateinamerika längst einen Namen gemacht. „Vor den Karren einer politischen Partei würden wir uns nie spannen lassen. Wir treten für die Belange der Bevölkerung ein, der es beschissen geht“, sagt Sebastían Cebreiro.

Dessen Vater war politischer Gefangener während der Militärdiktatur, und kaum eine Familie in dem kleinen Staat zwischen Argentinien und Brasilien hat keine negativen Erfahrungen mit der Diktatur gemacht. Das hat auch die Texte von La Vela Puerca geprägt. Poetische Annäherungen an den politischen Alltag nennt das die Band, der plumpe Agitation zuwider ist.

Mit ihrer Meinung halten die acht Musiker dabei nicht hinter dem Berg. Ätzende Kritik am IWF gehört genauso dazu wie Texte über die fehlenden Perspektiven im Land, die immer mehr Menschen ins Ausland treiben.

Der Name der Band spiegelt nicht das politische Engagement der Band wieder, sondern ihre Vorliebe für den guten Joint. Dicke Tüte heißt Vela Puerca übersetzt und es ist der Spitzname von Gitarrist Santiago Butler. Der hat seine Wurzeln in Mexiko. Seine Eltern wanderten aber gen Río de la Plata aus, weil sie mit der mexikanischen Militärdiktatur alles andere als einverstanden waren.

„Letztlich sind wir ein Spiegelbild der uruguayanischen Gesellschaft, die aus Einwanderern besteht. Eine indigene Kultur gibt es in Uruguay nicht, sonst wären sicherlich Einflüsse davon in unserer Musik aufzuspüren“, so Songwriter Sebastián Teysera. Aber auch ohne diesen Einfluss sind Vela Puerca musikalisch ganz weit vorne. KNUT HENKEL

heute, 21 Uhr, Fabrik