: Camping-Platz B
Die platzlosen Wagenburgler vom „Platz B“ besetzen den Platz vor dem Rathaus Mitte für einen Tag. Nach viel Handy-Diplomatie soll es vom Liegenschaftsfonds bald ernsthafte Angebote geben
von TORSTEN JOHN
Im Bezirk Mitte öffnete gestern für kurze Zeit ein neuer Campingplatz in bester City-Lage. Noch bevor für die Mitarbeiter des Rathauses Mitte der Alltag begann, fuhr ein gutes Dutzend Wagenburgler vom heimatlosen „Platz B“ auf das Areal vor dem Verwaltungsbau und begann, es in eine entspannte Ferienanlage zu verwandeln: stellten Sonnenschirme vor ihre Wohnfahrzeuge, spielten Tischtennis und dudelten Schlager wie „Tanze Samba mit mir“, trugen quietschgelbe Mützen – mit „Mitte-Camping“ beschriftet und mit Herzchen als i-Punkt.
Doch es geht um mehr als Camping, es geht um einen eigenen Platz für ihre Wagen. Den letzten Stellplatz an der Michaelkirchstraße mussten sie Ende April räumen, seit dem suchen sie Ersatz. „Bisher wurde zwar viel geredet, bewegt hat sich nichts“, so Wagenburgler Sebastian.
Hintergrund des Polit-Happenings waren Aussagen von Bezirksstadträtin Dorothee Dubrau (Grüne) aus diesem Sommer zum Wohnwagen-Problem auf dem Schlossplatz. Zahlreiche Touristen hatten dort ihre Wohnmobile abgestellt. Jetzt mussten sie den Platz räumen. Dubrau hatte daraufhin angeboten, kurzfristig an zentraler Stelle nach einer Ersatzfläche zu suchen.
„Es kann nicht sein, dass für Touristen anderes Recht gilt als für Berliner“, sagte Olaf Rose, grüner Bezirksverordneter von Friedrichshain-Kreuzberg. Er war mit dem Bus nach Mitte gefahren, um die Aktion zu unterstützen. „Auch in Mitte lassen sich Plätze für alternatives Wohnen finden“, glaubt er. Er kenne in seinem Bezirk mehrere Wagenburgen, die zeigten, dass das friedliche Nebeneinander von traditionellem Wohnen und dem Leben im Wagen möglich sei.
„Wagenburgen sind eine Realität in dieser Stadt. Nicht mal Schönbohm konnte das ändern“, sagte Landesparlamentarier Freke Over von der PDS. Auch er macht sich dafür stark, brachliegende Flächen und leer stehende Gebäude des Liegenschaftsfonds sozialen und politischen Projekten zu überlassen, wenn diese die Betriebskosten übernähmen. So könne man vernünftige Projektförderung mit Sparen im Landeshaushalt verbinden.
Von solchen Konzepten wollte die Polizei erst einmal nichts wissen und holte sich von Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU) das Okay zum Räumen. Ein Ultimatum nach dem anderen verstrich. Doch noch immer klingelten pausenlos die Handys. Die Besetzer-Camper verhandelten mit Dorothee Dubrau, dem herbeigeeilten Jugendstadtrat Jens-Peter Heuer (PDS) und dem Liegenschaftsfonds.
Auch der grüne Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele schaltete sich in die Handy-Diplomatie ein. Er finde solche Aktionen wichtig. „Das unterstützt die Politiker, die sich dafür einsetzen“, so Ströbele. Es sei wichtig für die Gesellschaft, offen für neue Lebensformen zu sein. Bei der Kommune „K 1“ hätten auch „alle gedacht, das ist Anarchismus pur“. Heute sei die WG als Wohnform normal.
Gegen elf Uhr entspannte sich die Situation. Dorothee Dubrau hatte ein Fax an den Liegenschaftsfonds geschickt und ihn aufgefordert, „für die Wagenburg ‚Platz B‘ einen Platz zur Anmietung zur Verfügung zu stellen“. Bezirksamt und Bezirksverordnetenversammlung befürworteten, dass Orte, „die derzeitig nicht entwickelt werden können“, an Wagenburgen verpachtet werden sollen.
Der Liegenschaftsfonds sagte daraufhin zu, konkrete Flächen für „Platz B“ zu suchen und mit den Rollheimern ernsthaft zu verhandeln. Diese schriftliche Zusage in Händen, verließ die Karawane den Rathaus-Platz.