„Der Rentenbeitrag muss konstant bleiben“

Krista Sager, Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, über Defizite in den Rentenkassen und die Strategie, Rentner zur Kasse zu bitten

taz: Frau Sager, in den Rentenkassen läuft ein Milliardendefizit auf. Wer muss bluten? Die Rentner oder die Beitragszahler?

Krista Sager: Wir wollen die Beiträge stabil halten, ohne die Renten zu kürzen. Deshalb werden wir vor allem an die Schwankungsreserve von etwa 7,7 Milliarden Euro herangehen müssen.

Die Schwankungsreserve kann man nur einmal verfrühstücken. Die Defizite in den Rentenkassen dürften aber nächstes Jahr wiederkehren.

Ob wir mehr Beitragszahler kriegen, dafür ist das nächste Jahr entscheidend. Die Indikatoren für die Wirtschaftsentwicklung verbessern sich. Allerdings entstehen nur neue Jobs, wenn die Lohnnebenkosten nicht mehr steigen. Deswegen muss der Rentenbeitrag unbedingt konstant gehalten werden.

Trotzdem wirkt es panisch, wenn die Regierung plötzlich die Schwankungsreserve auflöst.

Es ist falsch, die Schwankungsreserve als Notgroschen darzustellen. Das klingt, als sei alles weg, wenn der Notgroschen weg ist, und die Rente nicht mehr sicher. Aber die Schwankungsreserve soll nur die monatlichen Einnahmensunterschiede ausgleichen. Das könnte zum Teil durch den Bundeszuschuss von jetzt 77 Milliarden Euro übernommen werden. Ihn könnte man in den einzelnen Monaten so unterschiedlich auszahlen, dass die Beitragsschwankungen ausgeglichen werden.

Finanzminister Hans Eichel ist dagegen, die Schwankungsreserve anzutasten.

Er muss sich entscheiden. Ohne an die Schwankungsreserve heranzugehen, wird es nicht möglich sein, gleichzeitig den Bundeszuschuss für die Rentenkasse um zwei Milliarden zu kürzen und die Beiträge stabil zu halten.

Ziehen die Grünen bei Eichel die Daumenschrauben an?

Nein, wir wollen das gemeinsam hinkriegen – auch wenn die Vereinbarung von Neuhardenberg volle Priorität hat, die Beiträge bei 19,5 Prozent zu halten.

Deshalb soll ja auch die Nullrunde für die Rentner kommen. Aber ist das eine gute Idee? Die Grauen Panter mobilisieren schon.

Nullrunde hört sich sehr nach null an. Die Rentenerhöhung soll nur um ein halbes Jahr verschoben werden, nachdem sie in diesem Jahr pünktlich kam.

Das verstehen viele Bürger nicht. Die Verschiebung bringt maximal 0,2 Prozentpunkte bei den Beiträgen – aber die politische Unruhe ist enorm. Lohnt sich der Kommunikations-GAU?

Bei der Stabilisierung der Beiträge kommt es auf jede Milliarde an. Außerdem gibt es keinen „Kommunikations-GAU“. Die Verschiebung begeistert niemanden, das kann man nicht erwarten. Aber die meisten Bürger, auch die älteren, haben sich darauf eingestellt.

Die Rürup-Kommission fordert langfristig ein Rentenalter von 67 Jahren. Der Kanzler hat sich angeblich nicht festgelegt. Was raten Sie ihm?

Für eine nachhaltige Reform gibt es wenig Alternativen. Außerdem werden die heute 30-Jährigen, wenn es 2035 so weit ist, im Durchschnitt drei Jahre länger leben, und die Nachfrage nach Arbeitskräften wird größer sein. Das wird oft vergessen. Die Renten noch stärker abzusenken, halte ich für schlechter.

In der ganzen Debatte um die Rentenreform kommt die Bürgerversicherung nicht vor. Dabei war dies einmal ein Lieblingsprojekt der Grünen.

Man könnte natürlich bei der Rente auch Miet- und Zinserträge berücksichtigen oder die Beamten einbeziehen. Das würde kurzfristig tatsächlich zu mehr Einnahmen führen, aber langfristig müssten höhere Renten gezahlt werden. Das ist bei der Krankenversicherung anders. Da bedeuten höhere Einnahmen nicht höhere Ausgaben. Besserverdienende haben sogar ein geringeres Krankheitsrisiko. Deswegen konzentrieren wir uns jetzt darauf, die Bürgerversicherung bei den Krankenkassen einzuführen. INTERVIEW: ULRIKE HERRMANN UND LUKAS WALLRAFF