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Archiv-Artikel

Religion gut, Kopfrechnen schwach

betr.: „Freiheit für die Freiheit!“, taz vom 19. 3. 09

Religion gut, Kopfrechnen schwach, Geschichte ungenügend möchte man der Pro-Reli-Kampagne und ihren Unterstützern ins Zeugnis schreiben. Kopfrechnen beziehungsweise Prozentrechnung schwach, weil weiterhin mit falschen Prozentzahlen von Pro Reli operiert und vom baldigen Untergang des christlichen Abendlandes orakelt wird wegen der angeblichen dramatisch hohen Abmeldungen der Berliner Schüler vom freiwilligen Religionsunterricht, wenn das Fach Ethik verpflichtend ab der 7. Klasse hinzukommt.

Nicht 25 Prozent, sondern 2,8 Prozent beträgt die Abmeldungsquote. Unhinterfragt bleibt dabei auch, dass Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr religionsmündig sind und sich dann auch gegen den Elternwunsch vom Bekenntnisunterricht abmelden können.

Geschichtskenntnisse ungenügend offenbart abgesehen von der verbalen Anleihe bei Leni Riefenstahls Reichsparteitagsfilm 1935 mit dem Titel „Tag der Freiheit“ vor allem die gestrige Bezugnahme auf die Revolution von 1848 und die dort erkämpften Freiheitsrechte. Im Grundrechtskatalog der Verfassung vom 28. März 1849 heißt es unmissverständlich laut Artikel V über Glaubens- und Gewissensfreiheit in Paragraf 147: „Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen“, und deutlicher noch in Paragraf 148: „Niemand soll zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden.“

Regulärer Bekenntnisunterricht oder Glaubenslehre mit versetzungsrelevanter Benotung kann diesem Freiheitsgrundsatz qua Definition nicht entsprechen. Hinzu kommt, dass für öffentliche Schulen in unserem Lande aufgrund ihres Auftrags zur demokratischen und weltanschaulichen Bildung und Erziehung der Beutelsbacher Konsens seit 1976 verbindlich ist. Das sollten alle wahlberechtigten Bürger Berlins am 26. April bedenken und mit einen klaren Nein zu dem von Pro Reli angestrebten Wahlzwang für Religion und gegen Ethik beantworten. ANNEGRET EHMANN, Berlin