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Archiv-Artikel

Hartz IV bringt Sozialhilfeempfängern wenig

Die versprochenen Verbesserungen für Sozialhilfeempfänger durch das neue Arbeitslosengeld II entpuppen sich bei näherem Hinsehen als marginal. Oder als Gegenteil. Sozialsenatorin will neue Wohnkostenberechnung aufschieben

Vielen wird es materiell besser gehen. So argumentieren die Befürworter der Hartz-IV-Reform, wenn sie die damit verbundenen Verschlechterungen für viele Langzeitarbeitslose schönreden wollen. Nutznießer der Reform sollen die bisherigen Sozialhilfeempfänger sein. Aber zumindest für Berlin gilt: Es gibt kaum oder nur marginale Verbesserungen für Sozialhilfeempfänger.

Die künftigen Arbeitslosengeld-II-Empfänger erhalten maximal 345 Euro pro Monat für den laufenden Lebensunterhalt. Bislang bekommen Berliner Sozialhilfeempfänger 296 Euro pro Monat, kriegen dafür aber zusätzlich Geld für besondere Ausgaben: etwa für Kleidung, Möbel, Kühlschränke, Fernseher. Die Hartz-IV-Reform schafft zum 1. Januar solche Sonderausgaben bis auf wenige Ausnahmen ab. Statt dessen erhalten die Betroffenen eine monatliche Pauschale in Höhe von 49 Euro.

Nach Angaben der Senatssozialverwaltung summieren sich zur Zeit in Berlin die Ausgaben für besondere Leistungen auf 51 Euro pro Monat und Sozialhilfe-Empfänger. Rein rechnerisch bleibt also eine Differenz von 2 Euro zwischen dem Ist-Zustand und der Hartz-IV-Regelung. Aber dies ist nur ein Durchschnittswert, einzelne Betroffene verlieren. Dies trifft insbesondere Familien mit Kindern, da sie häufig Sonderleistungen brauchen, etwa für Kleidung.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat Beispielrechnungen für Berlin und Sachsen angestellt. Demnach bezog ein allein stehender Berliner Sozialhilfeempfänger im August mit Beihilfen und Wohnkostenübernahme rund 588 Euro im Monat, am 1. Januar werden es bei gleichen Wohnkosten 592,50 Euro sein. Der Mann gewinnt also 4,50 Euro. Die Beispielrechnung für eine allein Erziehende mit einem dreijährigen Kind: Sie bekommt ab 1. Januar. mit 1.006 Euro gerade mal 20 Euro mehr als derzeit.

Weniger hingegen erhält eine Berliner Durchschnittes-Alleinerziehende, die ein 5- und ein 14-jähriges Kind zu versorgen hat. Statt 1.385 Euro überweist das Sozialamt künftig nur noch 1.365 Euro. Wäre diese Frau mit einem Sozialhilfeempfänger verheiratet, würde die Familie im Alt-Neu-Vergleich 5 Euro pro Monat verlieren. Leichte Gewinne hingegen erzielt nach Berechnungen des Verbandes eine Ehepaar ohne Kind, etwas deutlicher profitiert eine Ehepaar mit einem dreijährigen Kind: Statt 1.206 stehen der Familie künftig 1.240 Euro zur Verfügung.

Verbesserungen durch Hartz IV ergeben sich für Sozialhilfeempfänger allenfalls dadurch, dass sie künftig Zugang zu allen Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit haben. Ob dies aber mehr als einen der umstrittenen Ein-Euro-Jobs bringt, muss sich erst noch zeigen. Zweifelhaft ist auch die versprochene bessere Betreuung der Betroffenen: Während nach Angaben der Sozialverwaltung in den Berliner Sozialämtern zur Zeit ein Mitarbeiter durchschnittlich 60 Betroffene betreut, wird es ab Januar einen ungünstigeren Betreuungsschlüssel geben: 1:75 für unter 25-Jährige und zunächst 1:150 für über 25-Jährige.

Unklar ist noch, wie die Übernahme der Wohnkosten für die Betroffenen geregelt wird. „Wir gehen davon aus, dass die heutigen Sozialhilfeempfänger in angemessenen Wohnungen leben“, sagt die Sprecherin von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS), Roswitha Steinbrenner. Bis Mitte nächsten Jahres sollten die Wohnverhältnisse der Arbeitslosengeld-II-Empfänger deshalb pauschal als angemessen gelten. Erst danach solle eine Vorschrift Näheres regeln – nach Auswertung der Wohnungsdaten der heutigen Arbeitslosenhilfeempfänger und des Berliner Mietspiegels.

RICHARD ROTHER