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Archiv-Artikel

Demo-Verbote sind schwer durchsetzbar

Am Wochenende ist es der Berliner Polizei erstmals seit vielen Jahren gelungen, ein gerichtsfestes Verbot gegen einen NPD-Aufmarsch durchzusetzen. Denn um das Bundesverfassungsgericht zu überzeugen, sind eindeutige Belege nötig. Ein Rückblick

von PLUTONIA PLARRE

Am Sonntag präsentierte sich Innensenator Ehrhart Körting als strahlender Sieger. „Der Höhenflug der NPD ist nach einer Woche gestoppt worden“, freute er sich darüber, dass die NDP am Samstag nicht demonstrieren durfte – weder im multikulturellen Wedding noch anderswo in Berlin. Kein Wort mehr davon, dass er am Donnerstag im Abgeordnetenhaus noch keine Möglichkeit gesehen hatte, den Aufmarsch der Rechtsextremen zu verbieten. Dass es dann doch anders kam, begründete Körting mit neuen Erkenntnissen. In der Rückschau drängt sich die Frage auf: Waren die Erkenntnisse wirklich so neu wie behauptet – oder haben Polizei und Verfassungsschutz geschlafen?

Die erlassene Verbotsverfügung stammt aus der Feder des Justiziars im Stab des Polizeipräsidenten, Oliver Tölle. Tölle sagt, er habe erst in der Zeit zwischen Mittwochabend und Freitagmorgen alle entscheidenden Unterlagen zusammenbekommen. Im Wesentlichen beruht die Verbotsverfügung der Polizei auf drei Säulen: Die NPD habe „klammheimlich“ das Motto verändert, sagt Tölle. Bei der Anmeldung hatte es noch geheißen: „Keine islamistischen Zentren – weg damit“. Ihre Anhänger mobilisiert habe die Organisation in den letzten Tagen aber unter dem Motto: „Keine islamischen Zentren“. Eindeutig volksverhetzend, befand die Polizei. Auch der Slogan „Berlin bleibt deutsch“, sei neu gewesen, so Tölle. Diese Phrase fand sich auch im ersten Teil eines Tagesbefehls von Adolf Hitler im Endkampf um Berlin am 16. April 1945. Auch auf der verbotenen CD der rechtsextremen Gruppe Landser gibt es ein Lied mit diesem Titel. In der ersten Strophe heißt es: „Kanacke verrecke“.

Drittes Standbein der Verbotsverfügung, so Tölle, sei eine Erklärung des NPD-Präsidiums vom 19. September gewesen. In der wurde dazu aufgerufen, „in dieser Phase des Überlebenskampfes unseres Volks im nationalen Widerstand in den Kampf um die Straße einzutreten“.

Zumindest das Demomotto ist nicht so neu, wie Polizei und Innensenator behaupten. Auf dem NPD-Pressefest in Mücka, Sachsen, am 7. August ist bereits ein Flugblatt mit dem Aufruf „Genug ist genug – keine islamischen Zentren: weg damit! Berlin bleibt deutsch!“ verteilt worden. Ein solches Exemplar mit dem Bild von einer Moschee, die halb wegradiert ist, ist beim antifaschistischen Pressearchiv einsehbar.

Tölle verteidigt die späte Reaktion der Polizei mit dem Argument, nur die Summe der Erkenntnisse habe ein Verbot möglich gemacht. Die Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an ein Versammlungsverbot seien sehr hoch gesteckt. Nicht umsonst würden so selten rechtsextremistische Aufmärsche untersagt.

Nicht vergessen hat Tölle die Ohrfeige, die sich die Polizei beim Berliner Oberverwaltungsgericht geholt hatte, als sie verbieten wollte, dass die NPD am 30. Januar 2000 durch das Brandenburger Tor marschierte. „Es ist ein sehr dünnes Eis“, sagt Tölle. „Man muss den Anmelder wirklich festnageln können.“