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Archiv-Artikel

Arbeit ist jetzt legal

Weil sich die Bleiberechtsregelung für geduldete Flüchtlinge und Asylbewerber geändert hat, kann jetzt auch Hamburg jungen Migranten eine berufliche Perspektive bieten – und zahlt kaum dazu

VON MARCO CARINI

Das passiert selten: Hamburgs Vize-Bürgermeisterin Christa Goetsch kann sich – gemeinsam mit Arbeitsagentur-Leiter Rolf Steil – für ein wegweisendes Projekt feiern lassen, Hamburg hat kaum etwas dazugezahlt und die Opposition wenig zu meckern. So geschehen am Dienstag im Rathaus, als Goetsch und Steil gemeinsam das Projekt „Fluchtort Hamburg plus“ vorstellten, mit dem jugendliche Flüchtlinge in eine betriebliche Ausbildung gebracht werden dürfen.

„Ein Quantensprung“, sinnierte Rolf Steil in Unkenntnis des Wortsinns des von ihm bemühten Begriffs, der nichts anderes als eine „kleinstmögliche Bewegung“ bedeutet. Und in der Tat musste Hamburg nicht viel bewegen, um das Projekt jetzt aus der Taufe zu heben.

Die rechtlichen Voraussetzung dafür schuf die Bundespolitik, die geduldeten Flüchtlingen und Asylberbern seit 2007 den Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt nicht mehr nur dann gewährt, wenn sich partout kein Deutscher oder EU-Ausländer findet, der den offenen Platz besetzen will.

Die benötigten Finanz-Mittel in Höhe von 1,3 Millionen Euro bringt zur Hälfte der Europäische Sozialfonds und zu 40 Prozent der Bund über die Agentur für Arbeit auf – Hamburg zahlt nur rund 130.000 Euro dazu.

Unter diesen Voraussetzungen entsteht mit „Fluchtort“ ein Netzwerk aus mehreren Gesellschaften und Vereinen, dessen Ziel es ist, geduldete Flüchtlinge in den betrieblichen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu integrieren, der ihnen bislang verschlossen blieb. Von der Berufsberatung über die Formulierung einer Bewerbung bis hin zur konkreten Vermittlung einer Ausbildungsstelle und der Betreuung der Flüchtlinge in ihren Lehrjahren sollen die verschiedenen Träger den Migranten eine berufsbezogene Rundum-Betreuung bieten.

800 jugendliche und erwachsene Flüchtlinge soll das Projekt, das 42 Schwesterprojekte in der ganzen Republik hat, in seiner zweijährigen Laufzeit erreichen. Hauptzielgruppe sind die 6.000 geduldeten, in der Hansestadt lebenden Flüchtlinge. Doch auch auf die rund 1.300 Asylbewerber zielt der Fluchtort-Verbund ab. Als dritte Gruppe sind die 1.000 Migranten mit einer begrenzten Aufenthaltserlaubnis betroffen, die unbegrenzt verlängert wird, wenn sie ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können.

Auch die Opposition hat da wenig zu mäkeln. Das Projekt sei prima, nur hätte der Senat zusätzlich eigene Mittel in die Hand nehmen sollen, um es auszuweiten und zudem den Aufenthalt der Auszubildenden dauerhaft klarer sichern sollen, beklagen SPD und Linke unisono.

Weil das Ganze ein so schönes Vorzeigeprojekt ist, hatten Goetsch und Steil auch die Vertreter zweier Vorzeigebetriebe dabei, die Flüchtlinge ausbilden werden und auch die dazugehörigen Vorzeigeflüchtlinge – beide aus Afghanistan stammend – dazugebeten.

Einer der beiden, Seroos Sharifzada, betonte, gefragt nach seiner Motivation: „Ich will dem Staat nicht auf der Tasche liegen, sondern selbst Steuern zahlen.“ Vorbildlich eben.