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Archiv-Artikel

Der doppelte Daum

Fußballtrainer Christoph Daum wird schnell mal Türke? Warum das nicht so einfach ist – und wie die deutsche Community in Istanbul darauf reagiert

von JÜRGEN GOTTSCHLICHund PETER UNFRIED

„Ein Deutscher verliert seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit.“

§ 25, Staatsangehörigkeitsgesetz

Der deutsche Fußballtrainer Christoph Daum hatte in der vergangenen Woche angekündigt, auch die türkische Staatsbürgerschaft annehmen zu wollen. Daum („Das ist der mit dem Koks, nur ohne Nutten“, Harald Schmidt) arbeitet seit Juli 2002 beim Spitzenklub Fenerbahce Istanbul. Zuvor war er zweimal für Besiktas Istanbul tätig (1994–1996, 1901–1902). Es sei eine „Entscheidung des Herzens“.

Probleme? Erstens lasse die Türkei im Gegensatz zu Deutschland doppelte Staatsbürgerschaften zu, zweitens habe er gute Kontakte ins zuständige türkische Ministerium. Und den „Schnäuzer hat er auch schon“, wie TV-Komiker Stefan Raab sagt.

Allerdings: „Wenn man eine neue Staatsbügerschaft beantragt, muss man sich zuerst darum kümmern, die deutsche zu behalten“, sagt Gabi Holtrop, Sprecherin des Bundesinnenministeriums. Der deutsche Staat wünscht bekanntlich ausdrücklich keine doppelten Staatsbürgerschaften. Nach § 25 des Staatsangehörigkeitgesetzes (StAG) verliert Daum seine deutsche Staatsangehörigkeit, wenn er Türke wird. Es sei denn, er beantragt davor eine „schriftliche Genehmigung der zuständigen Behörde“ (§ 25, Absatz 2). Dafür aber, heißt es im Innenministerium, brauche man eine „gute Begründung“. Daum müsste „fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen“ (§ 25, Absatz 2, Satz 4).

In der deutschen Community von Istanbul hat Daums Plan Kopfschütteln ausgelöst. Daum wolle sich beim türkischen Publikum einschleimen, heißt es. Vor allem etliche tausend deutsche Frauen, die mit ihren türkischen Männern oft seit Jahren in Istanbul leben, hätten sich hier längst einbürgern lassen, wenn sie – ohne Ausnahmegenehmigung – dann nicht gleichzeitig die deutsche Staatsbürgerschaft aufgeben müssten.

Schließlich ist es extrem lästig, jedes Jahr aufs Neue für eine Aufenthaltsgenehmigung stundenlang bei der Ausländerpolizei Schlange zu stehen. Noch viel schwieriger ist es, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen. Zudem haben deutsche Frauen hier dasselbe Problem wie viele Türkinnen in Deutschland. Ihre Aufenthaltserlaubnis hängt ausschließlich vom Partner ab. Scheitert die Beziehung, verlieren sie ihr Aufenthaltsrecht. Deshalb hatten viele Deutsche in der Türkei gehofft, dass mit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts in Deutschland auch eine doppelte Staatsbürgerschaft möglich würde. Vergebens. Wer sich dennoch einbürgern lässt, riskiert Ärger mit seinem deutschen Pass. Schließlich bemerkt jeder Konsularbeamte sofort, ob der Betreffende eine türkische Aufenthaltsgenehmigung, einen „Ikamet“, hat oder nicht. Wer keinen Ikamet braucht, hat folglich die türkische Staatsbürgerschaft.

Besonders ärgerlich ist die Sache für Deutsche, die ihr Kind an der Deutschen Schule in Istanbul oder Ankara anmelden wollen. Die Schulbehörde verlangt den Nachweis, dass beide Elternteile ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Deutsche Frauen, die mit einem türkischen Mann verheiratet sind, haben deshalb in der Regel keine Chance, ihr Kind an der Deutschen Schule anzumelden. Franzosen, Briten und Amerikaner verhalten sich da klüger.

Christoph Daum möchte jedenfalls „ein Freund und Botschafter der Türkei“ sein – mit zwei Pässen. Die Zeit sei „reif“, sagt er. Ob das so ist, entscheidet das Bundesverwaltungsamt. Vor der Entscheidung ist der deutsche Konsul zu hören.