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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Angela Merkel kämpft auf den Regionalkonferenzen weiter erfolgreich gegen die letzten Sozialdemokraten – die CSU. Dafür merken die Deutschen im Kino und TV immerhin, dass es auch Geschichte ohne Hitlerbärtchen gibt

Von SR

Was war schlecht in der letzten Woche, was wird gut in dieser?

FRIEDRICH KÜPPERSBUSCH: Minus: Muss doof sein, wenn man ins gelobte Land loszieht – um vor Ort erst mal helfen zu müssen, alles Lobenswerte abzuflexen. Mit Werner Schulz stimmte aus-, aber auch vorher schon eingerechnet ein Ostbürger gegen Hartz. In den Neinstimmen der Opposition mögen sich mehr enttäuschte Pilgerväter verbergen, aber die haben sich auch nichts merkeln lassen. Hallo … Ossis … jemand wach ? Habt ihr wegen soziale Marktwirtschaft rübergemacht, oder wolltet ihr eigentlich nach England?

Plus: „Das Wunder von Bern“ und der Willy-Brandt-Film, der demnächst im Fernsehen zu sehen ist: Die Deutschen beginnen zu ahnen, dass es Geschichte ohne Oberlippenbart geben könnte. Kurz bevor wir auch noch „Hitlers Hustenmittel“ und „Die Schuld der Schäferhunde“ gucken müssen, spricht sich rum: Ab einer gewissen Grenze beginnt Naziporno; Schauder-TV unterm SS-Mäntelchen. Da ist es wahrhaftiger und sogar wirksamer, andere Geschichten zu erzählen. Wobei Hitler nach gängiger Lehrmeinung erst möglich wurde, weil wir zu wenig Geschichte hatten.

Angela Merkel wird in dieser Woche auf zwei weiteren Regionalkonferenzen ihre neue Botschaft verkünden: ein Lob auf die Kopfprämie. Sie hat zum ersten Mal politisches Profil – leider das falsche. Oder ?

Als Johanna-ohne-Land setzt Merkel auf Basis; denn ringsum buhlen veritable Ministerpräsidenten mit Hausmacht um die Kanzlerkandidatur. Wieder mal ein kluges Konzept.

Inhaltlich verstehe ich Merkels ordoliberale Tendenz weniger als christdemokratisch und mehr als herkunftsbedingt: Der Bevaterungsstaat, der jede Eigeninitiative stranguliert und einen bis zur Lähmung versorgt – so mag sie die DDR empfunden haben. In Anbetracht des SED-Staates ist weniger Staat leider wirklich mehr Freiheit.

Das gibt sich auf drollige Weise die Hand mit Herzog, der die CDU als Leichtlohngruppe seiner eigentlichen Heimat, der CSU, verstand und in Wirklichkeit FDP-Programmatik predigte als Ruckredner.

Drittens muss Merkel sich irgendwie spürbar abgrenzen vom letzten sozialdemokratisch regierten Bundesland: Bayern. Und das führt uns ja wohl schnurgerade zu nächsten Frage – nämlich …

dass Friedrich Merz die Union „entsozialdemokratisieren“ will und Gerhard Schröder daran arbeitet, mit der SPD das Gleiche zu tun. Wohin jetzt mit den Sozialdemokraten?

Na, unter 20 Prozent! Adenauers Schläue, sich nicht wieder „Zentrum“ zu nennen, weil man gern auch die Evangelen dabei hätte und die Zentrumspartei Hitler zur Mehrheit verholfen hatte, ändert nix dran. Blüm, Geißler, die ganze Erfolgsgeschichte der 80er-Jahre-Union kommt aus der viel geschmähten, als kriecherisch und Herz-Jesu-marxistisch verlachten katholischen Soziallehre. Die lebt in der CSU noch am heftigsten; mit Stoibers Kampf gegen die Kopfpauschale oder Seehofers Bürgerversicherung äußert sich das aktuell. Und mit diesem bayerischen Wahlergebnis.

Kurzfristig mögen die Kaltwirtschaftler beider Parteien, Union und SPD, einen Wettbewerb führen, wer der Klientel am besten Grausamkeiten verkaufen kann. Das Ding gewinnt die SPD, bei der halten die Gewerkschaften besser still. Langfristig landen beide so im 30-Prozent-Nirwana.

Aber die Gewerkschaften mucken doch auf: Engelen-Kefer nennt Stoiber „ihre letzte Hoffnung“, und die IG Metall teufelt gegen Schröders Reformpläne.

Tja, und wirklich lösbar ist deren Elend erst, wenn sie Lohnverbesserungen in Ungarn und Mehrurlaub in China durchsetzen. Ein bisschen erinnert das schon an die Zeiten der Zünfte und Handwerksgilden, die gegen jede Industriearbeit maschinenstürmten um die 1820er-Jahre. Die ersten Kämpfe etwa der Buchdrucker, die schließlich zu Gewerkschaftsgründung und Tarifvertrag führten, stellten sich nicht hinter die Industriearbeiter, sondern gegen sie. Es ging um das Privileg, etwa die „Gutenberg-Jünger“ gegen analphabetische Druckmaschinenproleten zu schützen. Erst als das definitiv in die Hose ging, besannen sich die Funktionäre, für das Proletariat mitzukämpfen. Dies, weil die heutigen Gewerkschaften noch stets dieser Verteidigungslinie nachzulaufen scheinen. Das mag naiv klingen, aber der Durchbruch zu einer Zukunft für die Gewerkschaften liegt nach diesem historischen Beispiel irgendwo hinter dem ersten internationalen Tarifvertrag. Das ist wirklich noch ein heftiges Stück weit weg.

Und was macht Borussia Dortmund?

Verbietet dem Bildchenhersteller „panini“, das Trikot, das Vereinsemblem, gar das Westfalenstadion abzubilden. Cool. Als Nächstes kostet es extra, wenn man den Dortmunder Teil eines Spielergebnisses auch erfahren möchte. Letzten Samstag gab’s ein hmpf zu 2 der wrrrssstlll Dortmund gegen Hannover 96 im brssslbrssslStadion. Interessiert mich, glaube ich.

SPARRINGSPARTNER: SR