: Heftiges Gezerre um das Bremer Wahlrecht
SPD-Fraktion zeigt sich ob der Unwägbarkeiten des neuen Wahlsystems irritiert – Innenressort lehnt Änderungen ab
Bremen taz ■ Nach der Bürgerschaftswahl im Mai war man in der SPD-Fraktion bass erstaunt: Für den neuen Gröpelinger Beirat nämlich hatte die Partei 51,2 Prozent der Stimmen ergattert – eine satte absolute Mehrheit – bekam aber nur neun von 19 Sitzen zugeteilt. Pikiert nahmen die Genossen zur Kenntnis, dass diese scheinbare Ungerechtigkeit an dem erstmals angewendeten Auszählungsverfahren nach Sainte Laguë und Schepers liegt.
Also richtete die SPD-Fraktion eine Anfrage an den Senat: Wie es denn verfassungsrechtlich angehen könne, dass eine Fraktion die absolute Mehrheit der Stimmen, nicht aber der Sitze erhalte. Und ob man nicht eine Klausel aufnehmen könne, wonach einer Partei im Fall der Fälle ein weiterer Sitz zugeschlagen wird.
Einen solchen Vorschlag weist die zuständige Fachbehörde in ihrem Antwort-Entwurf, der eigentlich längst vom Senat hätte abgenickt werden sollen, zurück. Die Vorlage aus dem Innenressort wurde bereits vor zwei Wochen vertagt. Für die heutige Senatssitzung stand sie wieder auf der Agenda – doch die SPD bat gestern darum, den Tagesordnungspunkt erneut auszusetzen. Man wolle erst „nach einer gemeinsamen Sicht der Dinge suchen, wie es sich für ein Kollegialorgan gehört“, sagt Fraktionsgeschäftsführer Martin Prange.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen, so heißt es in der Vorlage, müsse jede Partei, die die Fünf-Prozent-Sperrklausel in einem Wahlbereich überwinde, mindestens einen Sitz erhalten. Ein zusätzlicher Sitz für eine starke Fraktion sei „nur zu Lasten“ anderer Parteien denkbar – dies würde jedoch „zur Ungleichbehandlung“ führen.
Eingeführt wurde das neue, eher kleine Parteien begünstigende Verfahren wegen der Besonderheiten Bremerhavens: Eine Partei, die dort die Fünf-Prozent-Hürde überspringt, sollte auf jeden Fall einen Sitz in der Bürgerschaft erhalten. Fünf Prozent der Stimmen entsprechen in Bremerhaven 0,8 Sitzen – also muss aufgerundet werden. Zurückzuführen sei das Verfahren übrigens „auf einen Vorschlag des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses der Bürgerschaft“, heißt es kokett in der Vorlage. Diesem Gremium gehört auch SPD-Fraktionschef Jens Böhrnsen an. jox