: Glimpfliches Ende einer Entführung
Nach dreiwöchiger Geiselhaft im Irak sind die beiden Italienerinnen und Mitarbeiterinnen einer Hilfsorganisation, Simona Pari und Simona Torretta, wieder auf freiem Fuß. Über die näheren Umstände der Befreiung schweigt sich die Regierung in Rom aus
AUS ROM MICHAEL BRAUN
Simona Pari und Simona Torretta sind frei. Die beiden Italienerinnen wurden am Dienstagabend ebenso wie die zusammen mit ihnen entführten Mahnas Bassam und Ali Abdul Asis in Bagdad auf freien Fuß gesetzt. Es war eine bizarre Inszenierung, die al-Dschasira wenig später ausstrahlte: Zwei in Schwarz gehüllte Frauen sind zu sehen, auf einem staubigen Feld, im Hintergrund die Um-al-Kura-Moschee von Bagdad, Sitz des Rates der Ulema. Die beiden schlagen schließlich ihre Schleier hoch, reichen dem auf sie wartenden Chef des italienischen Roten Kreuzes, Maurizio Scelli, die Hand und murmeln auf Arabisch „Schukran“, Danke.
Genauso untypisch wie diese mediale Begleitung des glücklichen Endes war die gesamte Entführung. Am 7. September waren bei helllichtem Tag mitten in Bagdad etwa 15 Personen in den Sitz der italienischen Hilfsorganisation Un Ponte per (Eine Brücke nach) eingedrungen und hatten neben den beiden Italienerinnen den ebenfalls für Un Ponte per arbeitenden Iraker Asis und die für die italienische NGO Intersos tätige Mahnas Bassam verschleppt. Danach herrschte drei Wochen lang völliger Blackout: Kein Video, kein Foto, kein Lebenszeichen der vier drang nach draußen. Stattdessen gab es im Internet von angeblich dschihadistischen Gruppen lancierte Forderungen erst nach Freilassung aller weiblichen Gefangenen im Irak, dann nach dem Abzug der italienischen Truppen.
Sie waren ebenso falsch wie die vor einer Woche in einem Web-Diskussionsforum lancierte Meldung, die Italienerinnen seien geköpft worden. Offenkundig waren die Entführer weder Al-Qaida-Anhänger noch simple Banditen. Simona Torretta sagte nach ihrer Freilassung, es habe sich um „strenggläubige Muslime“ gehandelt, die sie immer korrekt und voller Respekt behandelt hätten. Stillschweigen herrschte in den letzten Wochen auch in Rom. Die Regierung hatte einen Pakt der nationalen Einheit in der Entführungsfrage geschlossen, und der hielt. Politisches Nachgeben schloss Berlusconi zwar von vornherein aus – nicht aber Verhandlungen mit den Geiselnehmern.
Die waren am Ende erfolgreich. Zwar behauptet die Regierung, ein Lösegeld sei nicht gezahlt worden, aber die kuwaitische Zeitung Al-Rai al-Am nannte konkrete Zahlen: Eine Million Dollar sei in zwei Raten geflossen. Selbst wenn sich diese Mutmaßungen bestätigen sollten, wird Berlusconi nicht unter Druck geraten; Regierungs- wie Oppositionspolitiker erklärten, dass an einer eventuellen Lösegeldzahlung nichts auszusetzen sei. Eine andere Version verbreitet Ali al-Dolemi, Mitglied des Rates der arabischen Stämme im Irak. Die italienische Tageszeitung Il Manifesto zitiert ihn mit den Worten, die Entführer hätten ihre Opfer ohne jede Gegenleistung freigegeben und sich für ihren Irrtum entschuldigt.
In der Tat haben sich nicht nur in Italien, sondern auch im gesamten arabischen Raum und im Irak selbst zahlreiche Vertreter des Islam massiv für die beiden Italienerinnen eingesetzt, denn die arbeiteten für NGOs, die seit Jahren den Irakkurs der USA bekämpft hatten. Un ponte per war schon 1991 nach Bagdad gegangen, als Antwort auf das US-Embargo, und Simona Torretta hatte während der US-Bombardements im Frühjahr 2003 in Bagdad ausgeharrt.
Auch nach dem positiven Ende des Geiseldramas hält Un ponte per an seiner Position fest. In dem Kommuniqué zur Freilassung der vier heißt es, die Weltöffentlichkeit dürfe nicht vergessen, dass „im Irak weitere Millionen Menschen Geiseln des Krieges und der Gewalt sind“.
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