ZUR REFORMIERUNG DER PFLEGEVERSICHERUNG IST ROT-GRÜN ZU FEIGE : Wund gelegene Agenda
Die rot-grüne Mehrheit des Bundestags wird heute ein Gesetz absegnen, das immense Bürokratiekosten verursacht, Menschen willkürlich diskriminiert und im Übrigen das eigentliche Problem nicht einmal im Ansatz löst. Der Entschluss, das Loch in der Pflegeversicherung durch einen Zusatzbeitrag von Kinderlosen zwischen 23 und 65 Jahren zu stopfen, ist nicht halbherzig, er ist überhaupt nicht herzig. Er ist so pragmatisch wie feige.
Die Mängel der Pflege wie der Pflegeversicherung sind den Zuständigen bekannt. Alte, schwache und unselbstständige Menschen rutschen in Deutschland wieder an die Elendsgrenze, weil Pflegebedürftigkeit nicht erkannt oder von geltenden Gesetzen nicht erfasst wird. Der Pflegeapparat ist chaotisch und damit Geld fressend organisiert, wo angesichts knapper Mittel höchste Effizienz geboten wäre. Die politische Debatte um Abhilfe ist im Sozialministerium zwar eröffnet, vom Kanzleramt wegen Unappetitlichkeit aber wieder abgewürgt worden. Die SPD hat dazu genickt – Pflege ist kein Thema, die Umfragewerte zu erhöhen.
Den Kampf der Grünen, namentlich der Abgeordneten Petra Selg, um mehr Ehrlichkeit könnte man höhnisch als erfolglos oder mitleidig als gescheitert bezeichnen – Tatsache ist, dass sie allesamt ihre Stimmen heute preisgünstig abgeben werden. Und froh ist der Parteivorstand bestimmt, dass die peinliche Diskussion mit dem Bundestagsvotum wenige Stunden vor Beginn des Parteitags in Kiel offiziell beendet ist.
Das Schicksal der Pflege in diesem Jahr beweist, dass „Reform“ bei Rot-Grün nicht etwa bedeutet: was Mühe macht. Auch nicht: was schrumpfende Mittel gerechter verteilt. Sondern nur: was Lohnnebenkosten senkt. Weil in der Pflege, anders als in der Gesundheit, die Leistungen unmöglich gekürzt werden können, ist sie aus der Agenda gefallen. Für Belastungen der Patienten ließ sich unter dem Titel „Eigenverantwortung“ noch Zustimmung organisieren. Bei Belastungen von Menschen, die wund gelegen auf den Tod warten, wäre dies schwieriger geworden. Die rot-grüne Lösung heißt: nichts tun.
ULRIKE WINKELMANN