: Rüpel Mull
Der Zoo Osnabrück eröffnet heute seine unterirdische Abteilung. Sie zeigt Bodenbewohner in ihrer natürlichen Umgebung. Kritik kommt von Tierschützern, die sich um die Graumull-Population sorgen. Der Verwandte des noch hässlicheren Nacktmulls schüchtert seine Artgenossen gerne ein
VON TERESA HAVLICEK
Durch eine Schiebetür geht es hinab ins Dunkel. Schließt sich die Tür, sieht man erst einmal gar nichts, die Luft ist warm, fast ein bisschen stickig. Einige Sekunden braucht es, bis sich die Augen ans Dämmerlicht gewöhnen. Vor einem gabeln sich zwei Stollen, die in ein labyrinthartiges Gängesystem führen, beleuchtet nur mit wenigen Grubenlampen. Stützbalken an den Seiten, Baumwurzeln, die scheinbar aus der Decke herunterwachsen – ein bisschen marode wirken die Gänge. „Das soll so sein“, sagt Lisa Simon, Sprecherin des Zoos Osnabrück. „Ist aber alles sicher.“
Heute ist die offizielle Eröffnung von Deutschlands erstem unterirdischer Zoo in Osnabrück. Es ist eine Erlebnisausstellung mit zwölf Tierarten auf 500 Quadratmetern, an den Wänden der Stollen ist das unterirdische Tierreich quasi im Querschnitt zu sehen: Durch Gucklöcher lassen sich exotische Nager wie Nacktmulle, Präriehunde und Coruros, aber auch heimische wie Feldmäuse und -hamster direkt in ihren Gängen, Höhlen und Nestern beobachten. Anders als in den meisten Zoos werden sie in Osnabrück nicht in Terrarien gezeigt, sondern in Nachbauten ihres natürlichen Lebensraums. BesucherInnen sehen nicht die kompletten Gehege, hinter den Kulissen haben die Tiere Rückzugsflächen, in denen sie ungestört sind. „In Terrarien sind die Tiere zwar immer zu sehen, aber sie verhalten sich nicht wie in der Natur“, erklärt Tierpfleger Christian Koopmann. Die drei Coruros etwa, eher unbekannte Verwandte des Meerschweinchens aus Chile, hätten sich nach ihrem Einzug nur langsam in die Gänge vorgewagt. So etwas kannten sie nicht – Sie lebten zuvor in Essen, und dort wurden sie in Terrarien gehalten.
Ursprünglich war in Osnabrück nur ein Verbindungstunnel zwischen dem Zoo und dem benachbarten Naturkundemuseum geplant. Die physische Verbindung ist auch zu einer thematischen geworden: Das Naturkundemuseum zeigt die Dauerausstellung „Unterwelten“, nebenan im unterirdischen Zoo lässt sich beobachten, wer in den Unterwelten lebt. „Wir wollen hier für den Schutz des Lebensraumes Boden sensibilisieren, indem wir ihn begehbar machen“, so Simon zum Konzept. Dazu wurden die Wände der Stollen immer entsprechend der Bodenart gestaltet, in der das jeweils ausgestellte Tier auch in der Natur lebt: Schwarzerde für den heimischen Feldhamster beispielsweise und rötlicher Sandboden für die Nacktmulle, die aus Afrika stammt. Auch die heimische Ratte lebt im unterirdischen Zoo in naturgetreuer Kulisse: Für sie wurden die historische Abwasserkanäle Osnabrücks aus dem 12. Jahrhunderts nachgebaut. 1,2 Millionen Euro hat der Bau gekostet, mit knapp 900.000 Euro förderten die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die Allianz Umweltstiftung und die Niedersächsische Lottostiftung die Ausstellung.
Die Zusammenarbeit zwischen Zoo und Museum zeigt sich auch bei der Didaktik: Statt der für Zoos typischen Schautafeln werden Informationen zu den einzelnen Tierarten multimedial mit Hörstationen und Computerterminals vermittelt. Tierische Szenen, die im Zoo nicht zu sehen sind, zeigt das Drei-Seiten-Kino aus unterschiedlichen Perspektiven auf drei Leinwänden. Während etwa auf der einen Leinwand eine Maus scheinbar ungestört herumwuselt, zeigen die beiden anderen eine Eule, die die Maus ins Visier nimmt, zum Sturzflug ansetzt und sie schließlich mit einem großen Schluck verspeist.
Auch der Maulwurf wird momentan nur medial in der so genannten Maulwurfshöhle gezeigt. „Die Haltung und Nachzucht von Maulwürfen ist eine echte Herausforderung“, erklärt Zoodirektorin Susanne Klomburg. Da komme es auf Futtermix, Temperatur, Bodenbedingungen und Feuchtigkeit an. „Wir arbeiten uns da erst noch ein, wir wollen hier ja keine Tiere verheizen“, so Klomburg. Ende des Jahres werden die ersten Maulwürfe im Zoo erwartet, bis dahin gibt es Attrappen und Filme zu sehen. Mit einer Simulation kann man sich zudem ganz in den Maulwurf einfühlen: Während man ein Laufgerät bedient, buddelt sich auf einem Bildschirm ein Maulwurf durchs Erdreich – so schnell oder langsam, wie man selbst sich abstrampelt.
Kritik am unterirdischen Zoo gibt es vor allem wegen der Auswahl der Tierarten. Man setze in Osnabrück eher auf den „Exotenbonus“ als auf Artenschutz, so der Sprecher des Deutschen Tierschutzbundes, Steffen Beuys. Von den insgesamt zwölf gezeigten Tierarten stehe einzig der Feldhamster unter Artenschutz.
Zoosprecherin Simon sagt dazu, dass der Artenschutz bei der Entwicklung des unterirdischen Zoos nicht „vordergründig“ gewesen sei, sondern eben das Thema Bodenschutz. „Wir hoffen, dass durch die Tiere ein direkter Bezug dazu entsteht.“
Bei der Gestaltung der Tiergehege sei sehr großzügig kalkuliert worden, erklärt Direktorin Klomburg. Besonders bei den Nacktmullen gäbe es „enormen Raum hinter der Kulisse“. Die fünf bis fünfzehn Zentimeter kleinen Nager sind äußerst agil, gleichzeitig aber sehr lärmempfindlich und brauchen viel Rückzugsfläche.
Schön anzusehen sind die Nacktmulle nur bedingt: Bis auf einzelne Borsten ohne Fell, runzelige Haut, winzige Schlitzaugen und Ohren, dafür aber überdimensional große Zähne, mit denen sie sich durch die Erde schaufeln. Interessant macht sie vor allem ihr Sozialverhalten. Ähnlich wie viele Insektenarten bilden sie Staaten mit einer Königin, die mit ihrem Männerharem den Nachwuchs produziert. Der Rest der Kolonie besteht aus Soldaten und Arbeitern. Der Umgang der Osnabrücker Nacktmulle untereinander ist wenig zimperlich: Nicht selten ziehen sie sich am Schwanz durch die Gänge. „Das ist nicht untypisch, die sind schmerzunempfindlich“, sagt Tierpfleger Koopmann. „Da holt sich dann ein Soldat einen Arbeiter zum Buddeln.“
In der Natur leben Nacktmulle in Kolonien von bis zu 300 Tieren, in Osnabrück gibt es eine Achter-, eine Vierer- und eine Zweiergruppe. Graumulle, etwas größere und behaarte Verwandte der Nacktmulle, gibt es in Osnabrück nur drei. „Für eine Zuchtgruppe eine recht kleine Zahl“, so Tierschutzbund-Sprecher Beuys. Sollte ein Tier sterben, könne das für den Bestand problematisch werden.
Zoodirektorin Klomburg sieht das anders. Fruchtbar seien immer nur die Königin und ihr Harem. Ihre aggressive Dominanz wirke sich auf den Hormonhaushalt und die Fruchtbarkeit der anderen Mulle aus. Stirbt die Königin, werde ihre Nachfolge durch Kämpfe ausgehandelt. Die Siegerin werde fruchtbar und sorge für den Fortbestand der Kolonie. „Da sieht man mal, was die Psyche mit dem Körper machen kann.“