Rentenkürzung im Galopp

Bundesregierung will Gesetzespaket zur Rente noch in dieser Woche im Bundestag einbringen. CDU-Vorsitzende Merkel kritisiert Maßnahmen. Ver.di-Chef Bsirske wirft Regierung Tabubruch vor

BERLIN taz ■ Rot-Grün will die unpopulären Rentenkürzungen möglichst schnell hinter sich bringen. „Im November sollen die Entscheidungen kommen“, kündigte SPD-Fraktionschef Franz Müntefering gestern an. Rot-Grün will das Gesetzespaket daher schon diese Woche im Bundestag einbringen. Die Nullrunde für Rentner und die drastische Absenkung der Schwankungsreserve seien „unabwendbar“, erklärte Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) in Berlin. Nur so könne der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung bei 19,5 Prozent gehalten werden.

Am Widerstand der Union wird es nicht scheitern – auch wenn CDU-Chefin Angela Merkel die Pläne vehement kritisiert. Das Maßnahmenpaket sei „eine Zumutung für die Rentnerinnen und Rentner“, schimpfte Merkel gestern. Beim Großteil der geplanten Änderungen ist Rot-Grün jedoch nicht auf die Zustimmung des Bundesrats angewiesen. Das gilt auch für die Anrechnung von Ausbildungszeiten auf die Rente, die spätestens 2009 gestrichen werden soll.

Die Unionsmehrheit in der Länderkammer könnte lediglich ein Detail verhindern: dass Neurentner ihr Geld künftig, wie von Rot-Grün geplant, erst am Monatsende ausgezahlt bekommen. Merkel deutete jedoch bereits an, dass die Union diese Maßnahme nicht blockieren werde. „Wie und an welcher Stelle“ der Auszahlungstermin festgelegt werden könne, „muss man dann schauen“, sagte Merkel. Aber: „Wir wollen natürlich keine Beitragserhöhung, das ist klar.“ Die Verschiebung des Auszahlungstermins bringt nach Angaben von Ministerin Schmidt eine Einsparung von etwa 700 Millionen Euro und eine Senkung des Beitragssatzes um 0,1 Prozentpunkte.

Die Linken in der SPD waren auch gestern noch ratlos, wie sie auf die Beschlüsse der Regierung reagieren sollten und verhielten sich ruhig. Ihr Sprecher in der SPD-Fraktion, Michael Müller, sagte: „Teile unserer Forderungen sind aufgenommen worden, andere Teile nicht.“ Zunächst einmal würden die Beschlüsse diskutiert. Deutlicher wurde gestern Ver.di-Chef Frank Bsirske: Er warf der Regierung „Tabubruch“ vor. Wenn reale Rentenkürzungen Schule machten, „wird die Rente in Zukunft für niemand mehr kalkulierbar sein“. Gert Wagner, Mitglied der Rürup-Kommission, stimmt den Regierungsplänen zwar zu, sieht aber die Gefahr, dass die Konjunktur nicht anziehen könnte. Er sagte der taz: „Wenn wir kein Wirtschaftswachstum zustande bringen, bleibt uns am Ende nichts anderes, als über eine Grundrente nachzudenken.“ UH, LKW

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