: Bürgerhaus Vegesack durchsucht
Staatsanwaltschaft überraschte Geschäftsführer des Bürgerhauses und Leiter des Täter-Opfer-Ausgleiches mit ihrem Besuch. Wusste die Kulturbehörde, dass die Mittel des „Täter-Opfer-Ausgleichs“ als Liquiditätshilfe dienen? Nun ist das Geld weg
Bremen taz ■ Gleich vier Adressen durchsuchte die Bremer Staatsanwaltschaft gestern Vormittag in Vegesack: Das Bürgerhaus, das dort untergebrachte Büro des Bremer „Täter-Opfer-Ausgleichs“ (TAO) und die Privaträume des Bürgerhaus-Geschäftsführers Gerd Meyer sowie des TAO-Leiters Frank Winter. Grundlage der Durchsuchung seien die Vorwürfe der Untreue und der Aufforderung zur Bilanz-Fälschung, die die Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann in der vergangenen Woche schriftlich der Staatsanwaltschaft zugeleitet habe. Das erklärte der Staatsanwalt vor Ort gegenüber dem Anwalt des Bürgerhauses.
Zur Eile angetrieben sah sich die Staatsanwaltschaft allerdings durch eine Mail, in der der TAO-Leiter am vergangenen Freitag angekündigt hatte, er wolle die Festplatte des Büro-PC löschen und neu formatieren, damit ein eventueller Konkursverwalter keinen unbefugten Zugriff auf Daten habe. Frank Winter muss das als ganz normale Vorsichtsmaßnahme gesehen haben, befasst sich der „Täter-Opfer-Ausgleich“ doch mit strafbaren Vorkommnissen, bei denen durch Vermittlung zwischen Tätern und Opfern ein Gerichtsverfahren vermieden wird. Im Computer sind also naturgemäß allerhand sensible Daten gespeichert. Winter schickte die Mail auch an den Ansprechpartner des Täter-Opfer-Ausgleichs beim Justizsenator. Der fand das ganze nicht so normal und informierte die Staatsanwaltschaft. Man sei, was die Festplatten betrifft, noch rechtzeitig gekommen, versicherte gestern Staatsanwalt Burghard Quick.
Am Montagabend hatte wie erwartet der Geschäftsführer des Bürgerhauses, Gerd Meyer, um seine Beurlaubung für die Zeit der Untersuchung gebeten. Das Bürgerhaus setzte Ulrich Mayer als neuen Geschäftsführer ein, der von der Kulturbehörde akzeptiert wird. Die Fördergelder können damit weiter fließen, der unmittelbare Konkurs des Bürgerhauses ist abgewendet.
Allerdings flatterten dem Bürgerhaus Briefe des Justizressorts und der Sozialbehörde ins Haus, auf denen die möglichen Rückforderungen aufgelistet waren: 183.000 Euro Bußgelder und Spenden für den Täter-Opfer-Ausgleich soll das Bürgerhaus ausgegeben haben, und eine ebenfalls sechsstellige Summe an Zuschüssen des Ressorts. Möglich war das, weil der Bremer Täter-Opfer-Ausgleich trotz seines finanziellen Volumens keine eigene rechtliche Struktur hatte, sondern ein Teil des Bürgerhauses Vegesack ist: Auf dem Konto des Bürgerhauses gehen die Gelder ein, die Mitarbeiter des TAO sind Angestellte des Bürgerhauses. Offenbar hatte die Justizbehörde dies über Jahre für normal gehalten.
Der TAO hatte seit mehreren Jahren Überschüsse, das Bürgerhaus ein Defizit – da lag es nahe, ein „Cash-Management“ zu praktizieren. Staatsanwalt Quick kennt das Problem vom Vulkan-Prozess: Solange Geld genug da ist, hat das Geld keine Fähnchen, aber die Kassen des Bürgerhauses sind leer: Das Geld ist weg.
Der Vorsitzende des Bürgerhaus-Vereins, Klaus Buschmann, sagt, die Liquiditätshilfe sei der Kulturbehörde und auch der Staatsrätin seit Jahren bekannt. Dies bestreitet Yvonne Stolzenberg, Sprecherin der Kulturbehörde. Im Herbst 2000 habe das Bürgerhaus nur mitgeteilt, dass „Projektgelder“ für die eigene Liquidität benutzt würden.
Die Kulturbehörde hatte damals – es ging am Anfang um ca. 80.000 Euro – einen Sanierungsplan verabredet, das Bürgerhaus habe aber weiterhin und zusätzlich die Gelder des TAO ausgegeben, um in der Konkurrenz mit „Kito“ und „kuba“ gut dazustehen. Klaus Wolschner