: Ver.di immobil und pleite
Gewerkschaftschef Bsirske kritisiert Rot-Grün, erläutert Stellenabbau im eigenen Laden und gibt zu, dass Mobilisierung gegen Agenda 2010 bislang nicht gelingt
BERLIN ap ■ Ver.di-Chef Frank Bsirske hat vor Angriffen auf die Tarifautonomie gewarnt. Die Politik solle die Hände von den Tarifverträgen lassen, forderte er gestern auf dem Bundeskongress der größten deutschen Gewerkschaft in Berlin. Am späteren Nachmittag stellte sich der Gewerkschaftschef auf dem ersten Gewerkschaftstag nach Gründung von Ver.di zur Wiederwahl. Der 51-Jährige mit Grünen-Parteibuch wurde mit 92,6 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
Die Rentenpläne der Koalition bezeichnete Bsirske in der Bild als Dammbruch: „Die Regierung schreckt nicht davor zurück, ihre Rentenbeschlüsse von der jeweiligen Haushaltslage abhängig zu machen.“ Die rot-grüne Koalition erinnerte der Ver.di-Chef an ihre Wahlversprechen. Die SPD habe sich in ihrem Programm gegen eine Absenkung des Arbeitslosengeldes ausgesprochen, sagte er. Die Grünen hätten sogar eine Anhebung der Sozialhilfe in ihr Programm geschrieben. „Das Gegenteil ist jetzt passiert.“ Als Nächstes müsse jetzt damit gerechnet werden, dass die Sozialhilfe zur Disposition steht.
Bsirske sprach sich für ein umfangreiches Sparprogramm von Ver.di aus und bereitete die Mitglieder auf einen Umstrukturierungsprozess vor. Seit 2001 kehrten haben rund 250.000 Menschen Ver.di verlassen. Im Haushalt fehlen 66 Millionen Euro. Um die Finanzen in den Griff zu bekommen, sollen 800 der 5.000 Stellen abgebaut werden. Den Mitarbeitern wurde ein Gehaltsverzicht von 10 Prozent bei Freizeitausgleich vorgeschlagen. Bis 2007 soll es keine betriebsbedingten Kündigungen geben.
Der Gewerkschaftschef räumte Mobilisierungsdefizite in seiner Organisation ein. „Da müssen wir zu mehr Verbindlichkeit kommen“, verlangte er. Auf die Protestaufrufe der Gewerkschaften im Mai hatte es in der Öffentlichkeit kaum ein Echo gegeben. Für den 1. November ist nun ein bundesweiter Aktionstag gegen die Agenda 2010 geplant, zu dem auch Ver.di aufruft.