: „So darf man nicht mit Menschen umgehen“
Deutsche Gefängnisseelsorger lehnen die Sicherungsverwahrung ab: Sie sei menschenunwürdig
BERLIN taz ■ Sicherungsverwahrung, das ist „menschenunwürdig“, sagt Martin Faber, „so darf man nicht mit Menschen umgehen“. Faber ist Gefängispfarrer im hessischen Weiterstadt und Vorsitzender der evangelischen Konferenz der Gefängnisseelsorger. In den Gefängnissen sind oft die Anstaltspfarrer die engsten Vertrauten der Häftlinge. Sie betreuen die, die ohne Freunde, ohne Familie und manchmal auch ohne die Perspektive sind, den Knast jemals wieder zu verlassen – wenn sie unter Sicherungsverwahrung stehen.
Kann man Menschen, denen das Lebensende in der Zelle droht, überhaupt Mut machen? „Ich sage einem Lebenslänglichen, dass nicht alles hoffnungslos ist“, so Faber, „Er behält weiterhin seine Würde, vor Gott und den Menschen.“ Die Frage sei nur, wie weit das für den Einzelnen hoffnungsvoll ist: „Ich kann nur versuchen, ihm als Mensch zu begegnen, und ihm sagen: Das ist nicht alles im Leben.“
Natürlich weiß Faber auch, was die Taten der Sicherungsverwahrten für die Opfer bedeuten. Er weiß um das Klischee, nach dem sich die Knackis im anstaltseigenenen Swimmingpool erholen und dafür Mitleid haben wollen, während die Opfer schnell vergessen werden. Faber aber hat Mitleid mit den Sicherungsverwahrten: „Mitleid in ihrer konkreten Situation.“
Die Würde des Menschen steht beiden zu, Opfern und Tätern, so ein gemeinsames Thesenpapier der evangelischen und katholischen Seelsorger in Deutschland, an dem Faber mitgewirkt hat.
Die Perspektivlosigkeit macht die Sicherungsverwahrten depressiv, sagt Kurt Feisel, pensionierter Gefängnisseelsorger aus Wuppertal. „Manche werden auch aggressiv.“ Die Therapien, die angeboten werden, nennt er „Augenwischerei“. Die ganz alltägliche Folge auffälligen Verhaltens: „Auch im Vollzug hat man sehr schnell einen Stempel.“ Jede Panne bei der Sicherungsverwahrung führe gleich zu einer politischen Diskussion: „Da ist das Personal natürlich oft vorsichtig und misstrauischer als bei anderen Gefangenen.“ Ausgang gibt es nur unter enormen Auflagen, Urlaub gar nicht, sagt Feisel.
Es gebe Gefangene, die die Sicherungsverwahrung als eine Form der Todesstrafe empfinden, sagt Martin Faber: „Lebenslang eingesperrt sein bedeutet den Tod bei lebendigem Leib – hinter Gittern.“ THILO SCHMIDT