: Die Ironie der Nation
Mit einem Jahr Verspätung wird „Divine Intervention“ des Palästinensers Elia Suleiman für den Oscar als bester ausländischer Film nominiert
Ist es nicht ironisch? Vor einem Jahr lehnte es die Academy for Motion Picture Arts and Sciences ab, den Film „Divine Intervention“ in der Kategorie „best foreign-language film“ anzunehmen. Der Regisseur, Elia Suleiman, komme aus Palästina, was, so ließ man verlauten, keine von der UN anerkannte Nation sei.
Erstaunlich an dieser Begründung war nicht nur die Tatsache, dass eine amerikanische Film-Akademie die Statuten der UN als für sich verbindlich erklärt – bekannterweise nicht für alle Ebenen der amerikanischen Gesellschaft selbstverständlich –, sondern dass für Filme aus den ebenfalls nicht anerkannten Hongkong und Taiwan in dieser Beziehung stets eine Ausnahme gemacht wurde. Aber so ist das mit der Ironie: Man meint nicht ganz das, was man sagt.
Zusammen mit 54 weiteren Bewerbern (darunter Wolfgang Beckers „Good Bye, Lenin!“) darf „Divine Intervention“ sich mit einem Jahr Verspätung um die Stimmen der Akademie-Mitglieder bemühen. Ausnahmsweise, wie es in der Vorabliste heißt. Umgekehrt hatte die europäische Filmakademie keine Probleme damit, „Divine Intervention“ letztes Jahr als besten außereuropäischen Film auszuzeichnen. Hat sich in Zeiten der Koproduktionen nicht sowieso das Kriterium der Nation in der Filmindustrie überlebt? Was sollte den Ausschlag geben? Die Nationalität des Regisseurs? Oder die Sprache, in der der Film gedreht wird? Die Herkunft des Geldes? Demnach könnte „Divine Intervention“ als französisch, marokkanisch oder deutsch gelten.
Das Ganze macht deutlich, dass Formalitäten nicht nur das sind, was sie zu sein behaupten, nämlich Ausschlussverfahren nach festen Regeln, sondern dass sie meist raffinierte Ausweichmanöver darstellen, durch die sich Konflikte verlagern lassen. Denn die Auseinandersetzung darüber, ob Suleimans Film nun palästinensisch und Palästina als Nation für den Oscar zugelassen ist, drängt unweigerlich in den Hintergrund, worum es gehen sollte – den künstlerischen Wert des Films.
Vielleicht besteht die eigentliche Ironie nämlich darin, dass „Divine Intervention“ genau davon handelt: von jenem seltsamen Status der Palästinenser, eine unsichtbare, weil nicht anerkannte, andererseits aber von anderen als ungeheuer bedrohlich empfundene Existenz zu führen. In einer der Episoden des Films gibt es diesen Mann, der Woche für Woche seine Mülltüten einfach in Nachbars Garten entsorgt. Als eine Frau von dort eines Tages die Säcke zurückwirft, stellt er sie zur Rede. Ihr Verhalten als Reaktion auf seines zu verstehen, lehnt er als absurd ab. Sie hätte mit ihm sprechen müssen, wozu habe Gott den Menschen eine Zunge gegeben? Wirklich ironisch wird Ironie dann, wenn etwas gesagt wird, damit das Gegenüber denkt, es sei das Gegenteil gemeint, während der Sprecher genießt, etwas ausgesprochen zu haben. Insofern hat das Prozedere eine Strategie: Im vergangenen Jahr hätte man bei der Frage um die Oscar-Nominierung über den Film reden müssen; in diesem Jahr ist man dagegen schon mit der Teilnahme zufrieden.
BARBARA SCHWEIZERHOF