: Note Eins für brave Lehrer
Personalräte lehnen das geplante Beurteilungssystem für Lehrer vorläufig ab, da es unter Loyalität vor allem Anpassung verstehe. GEW-Vorsitzende Odenwald: „Wir wollen Feed-Back-Kultur, aber kein System, das Lehrer klein macht“
Von Kaija Kutter
Die von der Hamburger Bildungsbehörde fürs nächste Schuljahr geplante Benotung von Lehrern ist offenbar problematischer, als es auf den ersten Blick erscheint. Wie aus dem Entwurf für die entsprechende Dienstvereinbarung hervorgeht, wird auf Anpassung großes Gewicht gelegt. Bei den Kriterien, die alle vier Jahre von den Schulleitern mit einer sechsstufigen Skala benotet werden sollen, verbirgt sich unter dem Stichwort „Loyalität“ die unverblümte Aufforderung an die Pädagogen, im Dialog mit Eltern, Schülern und der Öffentlichkeit tunlichst keine abweichende Meinung zu äußern.
So lesen sich jedenfalls die 15 „Verhaltensbeispiele“, die in der Handreichung zum neuen „Beurteilungsinstrument“ aufgeführt sind. Der Lehrer „argumentiert und handelt aus der Perspektive der Schule“, heißt es dort, „trägt Entscheidungen der Schulleitung mit“ und „vertritt die Schule positiv nach innen und außen“. Zusammen mit Eltern und auf Elternabenden soll er Beurteilungsprinzipien, Standards, Regeln und Normen der Schule vertreten. Und auch bei der Beratung von Schülern soll er sich an den „Regeln und Normen der Schule“ orientieren.
„Wir wollen eine Feed-Back-Kultur. Wir müssen an den Schulen einen Dialog über den Lernprozess entwickeln“, sagt die Hamburger Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Stephanie Odenwald. Darunter sei jedoch kein „System von Gängelung, das die Lehrer klein macht“, zu verstehen.
„Die Lehrer kriegen sowieso keine Luft mehr, weil sie in Bürokratie ersticken“, erklärt auch der Hamburger Erziehungswissenschaftler Peter Struck. „Jetzt raubt man den Lehrern das letzte Stück Souveränität, das sie für ihren Job dringend brauchen.“ Ein Problem des Hamburger Schulwesens sei vielmehr, dass die meisten Oberschulräte sich übertrieben loyal gegenüber dem jeweiligen Senator zeigten.
Dass es überhaupt eine Beurteilung von Lehrern gibt, ist nicht Neues. Nach gültiger Dienstvereinbarung von 1994 soll dies alle zwei Jahre sowie bei Anlässen wie Schulwechsel oder Schwangerschaftsurlaub geschehen. Bundesweit neu und einmalig ist es laut Struck jedoch, dass hier ein Notenschema verwandt werden soll. Struck glaubt nun, dass dies die Notengebung insgesamt verfremden wird. „Lehrer, die immer schlecht benotet werden, werden entweder auch die Schüler schlecht benoten oder ihnen aus einem neuen Mitgefühl heraus nur noch Einsen und Zweien geben.“ Besser wäre es da, auch für Schüler die Noten ganz abzuschaffen und Lehrer – wie in Finnland – nur zeitlich befristet einzustellen. „Alle vier Personalräte haben Gesprächsbedarf und lehnen den Entwurf für die Dienstvereinbarung erst mal ab“, berichtet Uwe Post vom Personalrat der Gesamtschulen. Da die Beurteilung an Grund-, Haupt- und Realschulen auch von Kollegen durchgeführt werden kann, fürchten sie eine „Hierarchisierung und Misstrauenskultur“ in den Kollegien.
Nach den Herbstferien wird es erste Gespräche mit der Behörde über die Vereinbarung geben. Kommt es zu keiner Lösung, müsste entsprechend dem Personalvertretungsgesetz ein Schlichtungsverfahren einberufen werden.