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Archiv-Artikel

Die Weisheiten des Weisen

Entspannt wie ein Zen-Buddhist hakt Felix Magath, Trainer des VfB Stuttgart, das erstaunlich routinierte 2:0 seines jungen Teams in der Champions League gegen Panathinaikos Athen ab

aus Stuttgart TOBIAS SCHÄCHTER

Felix Magath war nach dieser Prüfung nicht erleichtert. Nein, Felix Magath, der Trainer des VfB Stuttgart, war entspannt. Entspannt wie einer, der sich seiner Sache schon vorher ganz sicher war und danach, ruhig wie ein Zen-Buddhist, auf dem Podium des Presseraumes des Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadions saß. Magath sprach so leise, dass die ihn einkreisende Reporterschar, nur keine Weisheit des Weisen verpassen wollend und mit den Augen an den Lippen des Meisters klebend, wie hypnotisiert wirkte.

Champions League: VfB Stuttgart gegen Panathinaikos Athen 2:0! Was in der Literaturwissenschaft Peripetie genannt wird, der plötzliche Umschwung, die Wende im Schicksal des Helden, fand auch an diesem Mittwoch keinen Einzug auf das Papier all derer, die die Geschichten und die Geschichte des VfB Stuttgart und ihres Trainers Felix Magath in dieser Saison aufzuschreiben haben. Im Gegenteil: Das Kapitel, das dieser VfB in seinem zum dritten Mal hintereinander ausverkauften Stadion den seligen 52.000 mit auf den Heimweg und in den Schlaf zauberte, könnte so überschrieben sein: „Die früh Gereiften“.

„Souverän“ nannte Felix Magath das, was seine Mannschaft gegen den griechischen Meister zelebrierte. Zugegeben: Die Panathinaikos-Verantwortlichen gaben sich große Mühe zu versichern, dass die nationale Meisterschaft Priorität habe. Was die ersatzgeschwächte Truppe dann mit ihrer Leistung auch prompt unterstrich. Vor allem in der ersten Halbzeit spielte sie, als habe sie tagelang Dionysos gehuldigt, dem Gott des Weines. Aber Magaths Analyse, emotionslos vorgetragen, beherbergte im Kern dennoch Erstaunliches: „Es hat für uns keine Mühe bedeutet, das Spiel zu kontrollieren und die Führung ungefährdet über die Zeit zu bringen.“

Fälschlicherweise werden Magaths gelehrige Schüler von einigen Beobachtern noch immer als „Junge Wilde“ bezeichnet, was ja eine gewisse Unreife impliziert. Tatsächlich aber treten sie inzwischen reif und abgeklärt auf wie eine langjährige Erfolgself. Früh, nach aggressivem Start und zwei lässigen Kopfballtoren von Szabics und Soldo, beherrschten die Schwaben Spiel und Gegner, bestimmten mit der Eindeutigkeit einer Atomuhr den Rhythmus des Geschehens und gewannen schließlich, „ohne zu viel Kraft zu verlieren“, wie Felix Magath fast nicht hörbar für die inzwischen zu Fleisch gewordenen schiefen Türmen von Pisa mutierten Reporter konstatierte.

Zum zehnten Mal blieb Torwächter Timo Hildebrand, das Titanle, in dieser Saison ohne Gegentor. Für die Griechen gab es kein Durchkommen gegen die beiden Haudraufundschlusse in der VfB-Innenverteidigung, Fernando Meira und Marcelo Bordon. Auch der Erfolg dieser beiden hat eine erstaunliche Geschichte, waren sie doch lange Konkurrenten und der Portugiese Meira schon als Fehleinkauf abgestempelt. Heute gelten Meira und der Brasilianer Bordon als das beste Abwehrduo der Bundesliga und gute Freunde. Oder die Geschichte von Horst Heldt, der aus den Trümmern seiner Karriere von Magath zu einer Säule des VfB-Spiels aufgebaut wurde. Und nebenbei bemerkt: Spricht noch irgendjemand von Krassimir Balakow?

Und da gibt es auch noch Philipp Lahm: Der 19-Jährige, ausgeliehen von den Amateuren des FC Bayern, bewies erneut, und diesmal vor den Augen von Rudi Völler, dass es zurzeit in Deutschland keinen Besseren auf der linken Abwehrseite gibt. Dazu Soldo, Hleb, Hinkel und Kuranyi – welch großartiges Potenzial. Die Zukunft könnte also tatsächlich rosig aussehen. Mit dem Einzug ins Achtelfinale der Champions League – und daran glaubt inzwischen jeder VfB-Fan – wäre der Verein saniert, Sponsoren zu großen Investitionen bereit und die Vertragsverlängerungen von Kuranyi und Hinkel („Geld ist nicht alles“) wahrscheinlicher. Doch Felix Magath, der Schwaben-Dompteur, ist kein Träumer. Er sagt: „Noch haben wir nichts erreicht.“ Was nicht stimmt: Die Fallhöhe der Helden ist inzwischen immens.