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Archiv-Artikel

Kinderbetreuung kein Problem

Nachwuchs passt vor allem aus Geldgründen nicht zum Lebensentwurf: Baden-Württembergs Landeschef mit einer CDU-genehmen Studie zum Geburtenrückgang

BERLIN taz ■ Kinder sind zu teuer. Für 47 Prozent der Kinderlosen sind die hohen Kosten ein Grund, auf Nachwuchs zu verzichten. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der baden-württembergischen Landesregierung in Auftrag gegebene bundesweite Studie darüber, welche Faktoren die Geburtenrate beeinflussen.

Die Mehrheit der Deutschen schließe Kinder für sich nicht aus. „Aber Kinder gehören nicht mehr selbstverständlich in die Lebensplanung, sondern sind nur noch eine Option unter mehreren“, stellte Renate Köcher, Leiterin des Instituts für Demoskopie Allensbach, fest.

Lange Ausbildungszeiten und die Fixierung auf die individuelle Freiheit würden dazu führen, das viele junge Leute Kinder erst mit Ende 20 in Betracht zögen. Das Zeitfenster, in dem das Kinderkriegen erwogen wird, beträgt laut Köcher in vielen Fällen nur noch fünf bis acht Jahre. „Ausbildung, Berufseinstieg und Familiengründung – in Deutschland wird strikt nach dem Prinzip ‚eins nach dem anderen‘ gehandelt.“ Und irgendwann ist der richtige Zeitpunkt auch einfach vorbei: Schon mit Anfang 30 gehen die Kinderwünsche stark zurück.

Mehr als ein Drittel der Befragten ohne Kinder gibt an, dass sich ihre beruflichen Pläne nur schwer mit einem Kind vereinbaren lassen. 28 Prozent fehlt der geeignete Partner, und nur für 14 Prozent sind mangelnde Betreuungsmöglichkeiten ausschlaggebend für den Kindsverzicht.

„Dieses Ergebnis zeigt deutlich, dass wir uns bei der Diskussion über die Gründe für den Geburtenrückgang nicht allein auf die Betreuungsfrage beschränken dürfen“, interpretierte Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) die Zahlen gestern bei der Vorstellung in Berlin. Wenn man heute jungen Leuten die Entscheidung zum Kind erleichtern wolle, brauche es einen breiteren politischen Ansatz: etwa eine Verbesserung der finanziellen Rahmenbedingungen für Familien und eine Verkürzung der Schul- und Studienzeiten.

Erst vergangenen Freitag hatte der unionsgeführte Bundesrat den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Ausbau der Kinderbetreuung abgelehnt. Was die Versorgung mit Krippen- und Hortplätzen angeht, bildet Baden-Württemberg das Schlusslicht unter den deutschen Bundesländern. Nur für zwei von 100 Kindern sind geeignete Betreuungsplätze vorhanden. Der Bundesdurchschnitt liegt bei neun Plätzen.

Trotzdem finden laut Allensbach-Studie 61 Prozent der befragten Eltern das Angebot ausreichend. Lediglich von den Alleinerziehenden bewertet mehr als die Hälfte die eigene Situation als kritisch. Renate Köcher begründet die allgemeine Zufriedenheit mit den immer noch herrschenden Rollenvorstellungen – der Vater geht arbeiten, die Mutter kümmert sich um den Nachwuchs. Deshalb kämen auch viele Eltern zu dem Schluss: „Bei uns klappt die Betreuung ganz gut.“

Und das scheint gerade im Ländle der Fall zu sein: Mit 9,1 Geburten je 1.000 Einwohner liegt man hier im bundesweiten Vergleich knapp hinter Hamburg an zweiter Stelle im Reproduktions-Ranking. KARIN LOSERT