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Archiv-Artikel

Kamera aus in Weimar

Thüringens erste Videoüberwachung wird nach Protesten beobachteter Zeitungsredaktionen und Anwälte gestoppt

DRESDEN taz ■ „Ich bin ein unbescholtener Bürger, ich bin eine unbescholtene Bürgerin!“ Die Weimarer Lokalredaktion der Thüringischen Landeszeitung hatte am Mittwoch eine ihrer Seiten mit diesen riesigen Lettern bedruckt und die Leser gebeten, damit auf dem Goetheplatz vor dem Pressehaus zu erscheinen. Die Aktion war bestimmt für die dort frisch installierten Video-Überwachungskameras. Eine Hand voll Bündnisgrüner kam ebenfalls und filmte Passanten in demonstrativer und penetranter Weise. Die geradezu erhoffte Polizei erschien jedoch nicht. Die Aktionen waren Höhepunkte des Protestes gegen die undifferenzierte Kamerabeobachtung der beiden zentralen Plätze Weimars.

Für Innenminister Andreas Trautvetter (CDU) ging diese 125.000 Euro teure Thüringer Premiere gründlich schief. Ins Visier der Kameras am Theater- und am Goetheplatz gerieten nicht nur die Lokalredaktionen der Landeszeitung und der Thüringer Allgemeinen, sondern auch die Kanzlei des Rechtsanwaltes Rolf Menzel. Auch Räume der Stadtratsfraktionen von SPD und Grünen wären einsehbar gewesen. „Das Vorgehen der Polizei war dilettantisch und nicht mit uns abgestimmt“, sagt Landeszeitungs-Lokalchef Thorsten Büker. Pressefreiheit und Mandantenschutz gerieten in Gefahr.

Seit gestern nun sind die Kameras vorläufig abgeschaltet. Alle aufgenommenen Sequenzen, die sonst 15 Tage gespeichert werden können, wurden gelöscht. Innenminister Trautvetter sicherte einen technischen Ausschluss dieser sensiblen Bereiche bei einer künftigen Wiederaufnahme des Überwachungsbetriebes zu. Nicht ganz freiwillig und unter deutlichem Druck von Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU), der seinen Minister erst an rechtsstaatliche Prinzipien erinnern musste. Trautvetter hingegen hatte erst kürzlich in einer Fernsehdiskussion seine Sammelwut offenbart: „Je mehr Daten ich erhebe, umso zielgenauer kann ich Verbrechensbekämpfung betreiben.“ Thüringens Datenschutzbeauftragte Silvia Liebaug fand daran noch nichts Erschreckendes und wachte erst durch die Journalistenproteste auf.

Eine Überwachung der historischen Erfurter Krämerbrücke war zuvor vom Innenministerium verworfen worden. Gefilmt solle nur werden, „wo sich kriminelle Energie zusammenballt“. Das tut sie offenbar in Weimar am Pressehaus, am Haus der Demokratie und am Deutschen Nationaltheater. MICHAEL BARTSCH