: Die Tabu-Brecher
Polizeipräsident Nagel hat insgeheim den Einsatz des gefährlichen Kampfstocks Tonfa bei der Bereitschaftspolizei angeordnet. Nicht einmal die Bürgerschaft wurde darüber informiert
von KAI VON APPEN
Klammheimliche Aufrüstung und Tabu-Bruch bei der Polizei: Polizeipräsident Udo Nagel hat insgeheim Ende vorigen Jahres angeordnet, dass die gefährliche chinesische Nahkampfwaffe Tonfa – interner Kosename: „Einsatzmehrzweckstab“; in Fachkreisen indes als „Knochenbrecher“ bekannt – bei der Bereitschaftspolizei zum Einsatz kommen kann. Polizeisprecherin Ulrike Sweden bestätigte jetzt der taz: „Es gibt eine Weisung des Polizeipräsidenten.“ Udo Nagel habe am 18. Dezember vorigen Jahres die Freigabe an feste Einheiten der Bereitschaftspolizei verfügt – also nicht an so genannte Alarmhundertschaften.
Sweden gesteht durchaus die Gefährlichkeit der Waffe „in den Händen von Untrainierten“ ein. Daher legt sie Wert auf die Feststellung, „dass bei der Bereitschaftspolizei streng auf die Einhaltung der Richtlinien geachtet wird“. So müssten alle BeamtInnen „24 Einheiten Ausbildungsprogramm“ – also 24 Stunden – absolvieren und danach „eine Prüfung“ ablegen. Sweden: „Ist jemand nicht tauglich, bekommt er das Ding nicht.“ Zusätzlich sei einmal im Monat eine Trainingseinheit notwendig: „Erscheint jemand dreimal nicht, ist er das Ding wieder los.“
Die Polizeisprecherin begründet die Aufrüstung mit bundesweiten Untersuchungen. „Er ist für die Beamten besonders geeignet, sich vor Angriffen zu schützen“, beteuert sie. „Von unserer Seite aus hat er sich bewährt.“ So könnten Personen ohne zusätzlichen Personalaufwand von nur einem Beamten „ruhig gestellt werden“.
Tonfas können zur lebensgefährlichen oder sogar tödlichen Waffe werden, ihr Einsatz ist laut Experten „hart unterhalb der rechtlichen Voraussetzung zum Schusswaffengebrauch“. Darum war der flächendeckende Einsatz bei der Hamburger Polizei – mit Ausnahme des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) und des speziellen Festnahmezuges – jahrzehntelang tabu. Verfehlungen wurden bislang disziplinarrechtlich verfolgt.
470 PolizistInnen trainieren zurzeit laut Sweden mit der neuen Waffe: alle fünf Hundertschaften der Bereitschaftspolizei sowie die Einsatz- und Festnahmezüge. Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann auch die Begierde der Streifenpolizisten nach der Waffe erwacht. In den USA gehört der Tonfa zur normalen Ausrüstung der Cops in Metropolen.
Die Aufrüstung bei der Hamburger Polizei ist ohne parlamentarische Kontrolle vollzogen worden. „Im Innenausschuss ist der Einsatz von Tonfas nicht besprochen worden, dann hätten unsere Alarmglocken geläutet“, sagt GAL-Innenreferentin Wiebke Schuleit. Marc März, persönlicher Referent von Innensenator Dirk Nockemann (Schill), bestreitet Geheimniskrämerei. Und fügt hinzu: „Wir müssen ja nicht alles in einer Pressemitteilung herausposaunen.“