: Solidarische Vorsorge
betr.: „Ja zum Status quo“ von Hans-Jürgen Arlt, taz vom 21. 10. 03
Ich kann Herrn Arlt nur zustimmen in seiner Analyse der derzeitigen sozial-ökonomischen Situation Deutschlands. Das Schlimme ist, dass die Politik in Berlin (und auch in den Ländern) mit alten Rezepten und Beschwörungsformeln auf neue Herausforderungen reagiert, anstatt das Übel bei der Wurzel zu packen.
Der Sozialstaat ist nicht deshalb pleite, weil es zu viele Rentner gibt oder die Rentenkasse für den Aufbau Ost verwendet wurde, sondern weil unser Finanzsystem grundlegende Konstruktionsfehler aufweist: Durch das herrschende Zins- und Zinseszinssystem schrauben sich die Einkommen der Kapitalbesitzer nach einer Exponentialfunktion nunmehr in schwindelnde Höhen, während – dieses Geld muss ja irgendwoher kommen – die Schulden des Staates und der breiten Bevölkerungsschichten mit gleichem Tempo wachsen und wachsen. Geld kann eben nicht arbeiten, sondern die Zinsgewinne der Reichen werden immer von den Dummen finanziert, die diese Zinsen zahlen, mit jeder Ware, die sie kaufen und mit jedem Kredit, den sie nehmen. […]
ULRICH SACKSTEDT, Verden
Die Gewerkschaften erscheinen in der sozialpolitischen Diskussion deshalb als orientierungslos, weil sie der allgemeinen Rede über zu hohe Lohnnebenkosten nicht rechtzeitig entgegentraten. Sowohl Sabine Christiansen wie grüne VorstandssprecherInnen, alle unsere Fernsehmaulheldinnen und Maulhelden können unwidersprochen über die beklagenswerte Höhe wesentlicher Lohnbestandteile schwadronieren. Kaum jemand erwähnt, dass diese Lohnanteile die solidarische Vorsorge finanzieren und die private Vorsorge für viele teurer, unsicherer und für manche unbezahlbar ist. Den Unternehmern ist es natürlich Recht, wenn so verdeckt daran mitgewirkt wird, Löhne herunterzuschrauben.
Über Grenzen und Formen der solidarischen Vorsorge wie über Konsequenzen der demografischen Entwicklung für die Altersvorsorge ist zu diskutieren, immer auch über Lohnhöhe und Lohndifferenzierung. Die Diskussionen klarer im Interesse ihrer Mitglieder zu strukturieren, wäre Aufgabe der Gewerkschaften. DIETRICH JAHN, Hannover