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Archiv-Artikel

Medienkünstler sind Grenzgänger

Das European Media Art Festival in Osnabrück gibt vom 22. bis zum 26. April einen Einblick in die aktuelle Medienkunst-Szene. Hermann Nöring ist einer der künstlerischen Leiter des Festivals und spricht über Politik, Youtube und den goldenen Mittelweg

Interview JONAS NONNENMANN

taz: Herr Nöring, haben die Veranstaltungen des Festivals einen gemeinsamen Nenner?

Hermann Nöring: Dieses Jahr gibt es viele Veranstaltungen mit Bezug zur Wirtschaftskrise. Dabei geht es auch um die neuen Werte, die jetzt notwendig sind. Dieser Gedanke zieht sich durch das ganze Festival, und besonders die Filme haben vermehrt einen politischen Anspruch.

Wie zeigt sich das konkret?

Ein Beispiel ist die Ausstellung „Bilderschlachten“. In der geht es darum zu zeigen, wie Nachrichten aus dem Krieg in die Öffentlichkeit gelangen. Außerdem zeigt die Ausstellung, wie Medien manipuliert und für Kriegspropaganda missbraucht werden. In diesem Zusammenhang geht es auch um den „living room war“ – wir werden tagtäglich zu Hause mit Krieg konfrontiert. Aber berührt uns das überhaupt noch? Die Ausstellung will solche Fragen künstlerisch aufwerfen und Antworten darauf geben.

Ist Medienkunst im Vergleich zu anderen Kunstformen besonders politisch?

Man kann das nicht verallgemeinern, aber es gibt schon solche Tendenzen. Ein Beispiel für einen zeitgenössischen politischen Medienkünstler ist Julius von Bismarck. Von Bismarck verfremdet die Medienöffentlichkeit, indem er zum Beispiel ein Kreuz auf das Rednerpult von Obama projiziert.

Was unterscheidet solche modernen Künstler von jenen der 60er und 70er Jahre?

Heute ist man politisch nicht mehr so streng. Die heutigen Künstler definieren sich nicht als Gegenöffentlichkeit, sondern reklamieren die Öffentlichkeit für sich selbst. Der Antrieb dafür ist individuell, die Künstler glauben nicht mehr unbedingt an große Wahrheiten oder Bewegungen. Heute hat es sich durchgesetzt, dass jeder seinen eigenen Weg und seine eigene Wahrheit finden muss.

Wie grenzen Sie den Begriff „Medien“ für das Festival ein?

Für uns sind Medien in erster Linie bewegte Bilder. Allerdings nicht im strengen Sinn, da kann auch eine Kollage dazugehören. Die technologische Komponente ist uns dabei nicht so wichtig. Das unterscheidet uns von anderen Festivals dieser Art.

Nach dieser Definition zählt auch das Web 2.0 zu den Medien, die sie zeigen.

Ja, auf jeden Fall. Ob das nun Youtube oder Second Life ist – das Festival beschäftigt sich auch mit solchen Angeboten, in denen die User das Internet mitgestalten. Auf dem Festival gibt es zum Beispiel einen Workshop von einer Künstlerin, die eine Software vorstellt mit der man Youtube-Sequenzen im Kollageverfahren neu verarbeiten kann.

Was ist mit der klassischen analogen Filmkunst? Gibt es die auf dem Festival noch zu sehen?

Ja, sicher. Obwohl der Computer heute die zentrale Schnittstelle ist, bedienen wir nicht nur den digitalen Bereich, sondern stellen auch analoge Filme vor. Außerdem präsentieren sich Künstler, die im Zwischenbereich zwischen analoger und digitaler Technik arbeiten. Das wird einer der Schwerpunkte des „Student Forums“ sein.

Ist Osnabrück der richtige Ort für so ein Festival? In Berlin kämen sicher mehr Besucher.

Wir sind zufrieden mit den Besucherzahlen. Letztes Jahr waren 16.000 Leute da, außerdem hat eine kleinere Stadt viele Vorteile. Hier konzentrieren sich die Besucher ganz auf das Programm, und viele genießen die Übersichtlichkeit der Stadt. Es kommt auch gut an, dass die Festivalorte nicht so weit entfernt voneinander sind.

Ist die Medienkunst eine besonders brotlose Kunst?

Das würde ich nicht sagen. Die Medienkunst hat sich seit den späten 60er Jahren und besonders in letzter Zeit durchgesetzt. Was die Finanzierung angeht, ist es ähnlich wie in anderen Künsten: Einige können davon leben, andere nicht. Viele Medienkünstler arbeiten heute auch grenzgängerisch und sind nebenbei an Hochschulen oder in der Werbung beschäftigt.

Bleibt die Kunst da nicht auf der Strecke?

Nein, ich glaube, das ist kein Problem. Solch ein Austausch kann im Gegenteil bereichernd sein, denn der Kontakt mit der Gesellschaft ist sehr wichtig. Wenn da kein Austausch mehr stattfindet, besteht die Gefahr, dass sich die Kunst vom Publikum entfernt.

Was ist mit den Freiräumen, die Kunst ja auch braucht?

Sicher braucht Kunst auch Freiräume, da stimme ich Ihnen zu. Alleine deshalb, weil sie sich auch an der Gesellschaft reiben können muss. Trotzdem: Finanzielle Unabhängigkeit lässt sich kaum realisieren und ist auch nicht wünschenswert. Denn wenn Kunst subventioniert wird, entfernt sie sich zu sehr von der Gesellschaft. Wichtig ist hier der goldene Mittelweg.

Das 22. European Media Art Festival findet vom 22. bis zum 26. April in Osnabrück statt. Zu sehen sind 250 Beiträge, die aus mehreren Tausend Einsendungen ausgewählt wurden. Neben dem Filmprogramm gibt es die Ausstellung „Bilderschlachten“ sowie einen Kongress und ein Student Forum. Insgesamt werden drei Preise verliehen

Fotohinweis:HERMANN NÖRING, 53, ist Mitglied der künstlerischen Leitung des Festivals und betreut als Kurator die Ausstellung “Bilderschlachten“