Kopfpauschale, die Sympathiequelle

Die Freunde der Kopfpauschale wollen Merkels Lieblingsprojekt vor dem Absturz retten. Die Einheitsprämie sei sozial, wenn weit mehr Menschen als bisher den Spitzensteuersatz bezahlten. Der Trick: Der Umverteilungsbedarf wird kleingerechnet

VON ULRIKE WINKELMANN

Bevor CDU-Chefin Angela Merkel noch weich wird, legen die Kopfpauschalenfans ein gutes Wort für ihr Projekt ein. „Kleinverdiener werden mit der Kopfpauschale nicht überfordert“, sagte Stefan Homburg zur taz. Der Hannoveraner Steuerexperte ist einer der Kopfpauschalen-Kalkulatoren und berät vor allem die niedersächsische Gesundheitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), aber auch Merkel.

Homburg hofft, dass die CDU-Chefin auch weiterhin zu ihrem Plan steht, das Gesundheitssystem von einkommensbezogenen Beiträgen auf Einheitsprämien umzurüsten. Merkel aber erntet inzwischen nicht nur bei der CSU, sondern auch an der eigenen Basis heftige Kritik für die als unsozial und „Sympathiekiller“ (CSU-Vize Horst Seehofer) geltende Prämie. Eine Einigung mit der darum auch sichtlich nicht bemühten CSU vor den Parteitagen im November und Dezember scheint ausgeschlossen. Dies erhöht den Unmut in wahlkämpfenden Landesverbänden wie Nordrhein-Westfalen noch.

Homburg versteht deshalb nicht, warum Merkel nicht viel offensiver mit seinem Vorschlag arbeitet, zur Finanzierung der Kopfpauschale das Steuerkonzept von Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz und dem bayerischen Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) zu modifizieren.

So will er beweisen, dass erstens der Sozialausgleich über Steuern funktionieren kann und dass zweitens dafür nicht etwa die Armen, sondern die Gutverdiener draufzahlen. Kurz: Die Kopfpauschale sei sozial, die nächste Wahl so gut wie gewonnen. Entsprechend erklärte die Niedersächsin von der Leyen gestern auch in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: Das Steuerkonzept sei „so mit unserer Gesundheitsprämie verzahnt, dass der soziale Ausgleich komplett gegenfinanziert ist“.

Der Trick dabei ist, das Geldvolumen kleinzurechnen, das für den Sozialausgleich benötigt wird. Gegenwärtig gehen fast alle Gesundheitsökonomen davon aus, dass im Gesundheitssystem pro Jahr 40 Milliarden Euro von Reich zu Arm und von Single zu Familie umgeschaufelt werden. „Stimmt nicht“, sagt Homburg. Er kommt bloß auf 29 Milliarden Euro. Dafür sammelt er 15 bis 17 Milliarden dadurch ein, dass der bisherige Arbeitgeberanteil der Kassenbeiträge an die Arbeitnehmer ausgeschüttet wird, deren Lohn sich also erhöht, wovon sie wiederum mehr Steuern zahlen. Den Rest will Homburg zusammenbekommen, indem er den Merz/Faltlhauser-Spitzensteuersatz von 36 Prozent „früher greifen lässt“ – ihn also mehr Leuten zumutet als bisher geplant.

Homburg findet, Merkel solle sich von der Idee verabschieden, es könne einen Grundsatzkompromiss mit der CSU zur Pauschale geben. Wenn man den Leuten ein überzeugendes Modell vorlege, würde CSU-Chef Edmund Stoiber „ganz von selbst“ einknicken.

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