: Wer rettet den Kabeljau?
VON BERNHARD PÖTTER
Der schwarze Seehecht sollte ein Präzedenzfall werden. In den sturmgepeitschten Wassern rund um die Antarktis machen so viele Schiffe legal und illegal Jagd auf die bis zu zwei Meter lange Delikatesse, dass die Bestände kurz vor dem Kollaps stehen. 2002 beantragte deshalb Australien, in dessen Hoheitsgewässern der schwarze Seehecht gefangen wird, den Fisch in das Artenschutzabkommen Cites (siehe Kasten) aufzunehmen.
Der Antrag scheiterte. Doch der Antrag auf der letzten Cites-Konferenz in Buenos Aires zeigte: Artenschutz ist keine Nische mehr für die exotischen und „charismatischen“ Tiere wie Tiger, Robbe und Elefant. Die Kontrolle beim Handel mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten hat inzwischen auch Spezies erfasst, die bisher als Wirtschaftsgüter betrachtet und behandelt wurden.
Dramatisch ist die Lage vor allem bei den Fischen. Neben dem schwarzen Seehecht gehörten „der Ostsee-Dorsch, der Kabeljau, der Dornhai, der Aal und alle Seepferdchen“ in den Anhang I oder Anhang II der Cites-Liste, fordert Thomas Henningsen, Meeresbiologe und Fischereiexperte bei Greenpeace. Denn drei Viertel aller kommerziellen Fischbestände würden inzwischen so weit ausgebeutet, dass sie vor dem Zusammenbruch stehen.
Auch bei den Pflanzen ist die Lage nicht rosiger. Roland Mehlisch, Cites-Experte vom Umweltverband WWF, spricht von einer „Ausbeutungs-Welle“, die den südostasiatischen Baumart „Agarwood“ (Adlerholz) an den Rand der Ausrottung gebracht hat: Das Holz sei von Indien bis Neuguinea verbreitet und für die Produktion von Räucherstäbchen beliebt – die Bäume in Burma, Indien, Thailand und Borneo sind in Rauch aufgegangen. Inzwischen stehen nur noch Restbestände – „und die gehören unter den Schutz von Cites“, sagt Roland Mehlisch.
An den Debatten um die Cites-Listen lässt sich ablesen, wie schnell das weltweite Artensterben voranschreitet. Seit 30 Jahren konzentriert sich die Öffentlichkeit vor allem auf exotische Großtiere wie Tiger, Elefanten und Nashörner, die vor der Jagd nach Fellen, Elfenbein und Hörnern geschützt werden müssen. Heute sind es nicht mehr nur die Trophäenjäger, die die Arten an den Rand des Aussterbens bringen. Es ist der Ressourcenhunger der Industrie- und Schwellenländer, die immer mehr Arten zu Anwärtern auf den Cites-Schutz macht. Mahagoni und Ramin brauchen diese Hilfe, weltweit ist nach Angaben der internationalen Naturschutzunion IUCN jede dritte der 21.000 Holzarten gefährdet. Und auch die Suche multinationaler Konzerne nach neuen Rohstoffen gefährdet die Artenvielfalt. So plädiert der WWF dafür, die asiatischen Eiben und die südafrikanische Hoodiapflanze in die Schutzliste aufzunehmen. Die Eibe produziert einen Wirkstoff gegen Krebs, die Hoodia einen Appetitzügler – und beide sollen von Pharmakonzernen ausgebeutet werden.
„Es geht darum, solche Arten in den Anhang II des Abkommens zu bekommen,“, sagt Roland Mehlisch. Denn außerhalb der Cites-Listen geht das Artensterben ungebremst weiter. Pro Jahr verschwinden tausende von Tier- und Pflanzenarten – genaue Zahlen kennt niemand. Etwa 12.000 Spezies stehen auf der „roten Liste“ der internationalen Naturschutzunion IUCN – aber selten auf den Cites-Listen.
Das hat Gründe. Denn die Cites-Listen werden von den 166 Staaten abgesegnet, die sich auch in diesen Tagen wieder in Bangkok zu ihrem zweijährigem Treffen versammeln – die gleichen Staaten, die für sich etwa Fischereiquoten und Exportziele festlegen. Und der globale Handel mit nachwachsenden Rohstoffen ist ein Milliardengeschäft. Allein der Umsatz des weltweiten Holzhandels macht nach OECD-Zahlen etwa 150 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr aus. Fische werden weltweit für etwa 80 Milliarden Dollar gehandelt, der legale Umsatz von Heilkräutern, Tierfellen und Haigebissen macht etwa 15 Milliarden Dollar aus. Damit ist der globale Handel mit Tieren und Pflanzen ein Geschäft von 250 Milliarden Dollar. Das ist deutlich weniger als der globale Ölhandel (2003: etwa 850 Milliarden Dollar) – aber nach Interpolangaben genug, um nach Drogen und Waffen den auch noch den drittgrößten Schwarzmarkt mit einem Wert von jährlich fünf Milliarden zu schaffen.
Die Schuld von Cites ist das nicht – ganz im Gegenteil. Das Abkommen gilt unter Naturschützern als Erfolg. Immerhin hat es in einer kritischen Phase vor 30 Jahren den legalen Weltmarkt für Elfenbein ausgetrocknet und die Wilderei auf Elefanten, Nashörner und Tiger reduziert. Cites hat dazu geführt, dass viele Krokodilarten nicht ausgerottet wurden, sondern inzwischen ein Großteil der Nachfrage nach Krokotaschen von Krokodilfarmen gedeckt wird. Und es ist „kein Papiertiger“, betont Mehlisch. „Anders als die Konvention zum Schutz der biologischen Vielfalt ist Cites kein reines Konsensgremium.“ Halten Staaten sich nicht an die Auflagen, kann es Sanktionen geben.
Trotzdem denkt man im deutschen Umweltministerium über eine Cites-Reform nach. Nach 30 Jahren müsse überprüft werden, wie wirksam das Instrument der Handelsbeschränkungen sei, heißt es. „Wir wissen nicht, ob das Listen der Arten überhaupt zu einem Erfolg geführt hat und wir manche Arten vielleicht wieder von der Liste nehmen können“, kritisieren die Experten.
Aus Sicht der Umweltschutzgruppen hat Cites zwei weitere Schwachpunkte: Erstens verhandeln hier nur Staaten, keine Nichtregierungsorganisationen. Zweitens schützt Cites einzelne Arten – und nicht ganze Lebensräume. Das soll bei der Konferenz in Bangkok anders werden. Zum ersten Mal beantragt dort Indonesien, das Tropenholz Ramin auf die Cites-Liste zu übernehmen. Aus dem Baum wird vom Bilderrahmen bis zum Sperrholz alles gefertigt. Allerdings hat Indonesien ein Verbot für das Fällen von Ramin verhängt – und muss mit ansehen, wie die illegal gefällten Stämme ins Nachbarland Malaysia geschmuggelt und von dort „legal“ verschifft werden. Ramin ist für die Umweltschützer wichtig, weil es im Lebensraum des bedrohten und unter Cites geschützten Orang-Utans wächst. Käme das Holz unter den Cites-Schutz, „könnte das wirklich helfen, die Menschenaffen zu retten“, sagte Ian Redmond vom UN-Projekt zur Rettung der großen Affen (Grasp).
Thomas Henningsen von Greenpeace fordert auch an diesem Beispiel, die Bemühungen von Staaten und NGOs beim Naturschutz zu verbinden. „Tiere und Pflanzen, die auf der roten IUCN-Liste der gefährdeten Arten stehen, sollten automatisch in den ersten Anhang der Cites übernommen werden“, fordert der Biologe. Und in Zukunft müsse nicht nur eine Art, sondern ein ganzer Lebensraum unter Schutz gestellt werden: „Es hat doch keinen Sinn, den Orang-Utan zu schützen und die Pflanzen und Tiere, die zu seinem Lebensraum gehören, nicht unter Schutz zu stellen.“