AM ENDE WIRD DAS EU-PARLAMENT DOCH ALLE KOMMISSARE BESTÄTIGEN
: Kein Mut zum Risiko

Mindestens sieben Personalvorschläge des neuen Kommissionspräsidenten José Barroso stießen auf blankes Entsetzen in den Fachausschüssen des Europaparlaments. Dennoch wurden alle Wackelkandidaten durchgewunken, um den Parteienproporz nicht zu gefährden – bis jetzt. Bei Rocco Buttigliones fundamentalkatholischen Sprüchen platzte einigen Abgeordneten im Innenausschuss der Kragen. Nach heißen Debatten wurde zum ersten Mal ein Brief abgeschickt, der Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Barroso wird aufgefordert, einen anderen italienischen Kommissar zu benennen.

Damit habe das Parlament bewiesen, dass die Anhörungen der neuen Kommissare keine Farce seien, behauptet der sozialdemokratische Abgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler. Tatsächlich lässt die Stunde der Wahrheit noch auf sich warten. Am 27. Oktober müssen 732 Abgeordnete aus 25 Ländern der gesamten neuen Kommission mehrheitlich den Segen geben oder alle gemeinsam durchfallen lassen – eine andere Möglichkeit sieht der EU-Vertrag nicht vor.

Wenn Barroso dem Parlament entgegenkommt und sein Personalpaket aufschnürt, öffnet er die Büchse der Pandora. Berlusconi wird toben, die ganze Diskussion um Superkommissare, Frauenquote, große und kleine Mitgliedsstaaten beginnt von vorn. Die diplomatische Lösung könnte darin liegen, an den Personen festzuhalten, aber die Ressorts neu zu verteilen. Da die Mitgliedsstaaten hierbei kein Mitspracherecht haben, könnte Barroso so auf die Vorbehalte des EU-Parlaments eingehen, ohne das ganze Paket zu gefährden.

Ohne Risiko ist auch dieser Weg nicht. Die Anhörungen müssten vor den zuständigen Fachausschüssen wahrscheinlich ganz von vorn beginnen. Eine Amtsübernahme zum 1. November wäre nicht mehr zu schaffen. Deshalb wird der freundlich lächelnde Portugiese wahrscheinlich den Weg wählen, der ihn bis an die Spitze der Kommission geführt hat: Er wird allen geduldig beim Streiten zuhören und an seiner Position festhalten. Schließlich weiß er genau, dass es für die meisten Europaabgeordneten gute Gründe gibt, den reibungslosen Machtwechsel im November nicht zu gefährden. DANIELA WEINGÄRTNER