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Archiv-Artikel

Bauchschmerzen und ungefangene Fische

Trotz unüberhörbarem Grummeln der CDU beschließt der Senat die Eckpunkte für den Doppelhaushalt 2004/05

Von jox
„Senatswille allein verschafft Bremen keinen verfassungskonformen Haushalt“

Bremen taz ■ Ein seltenes Bild gab’s gestern Mittag auf dem Domshof zu bestaunen: Noch nach ein Uhr mittags glich der Platz einem Edel-Fuhrhof von Daimler-Karossen. Während die Dienstags-Senatssitzungen sonst – nach einem kollektiven Abnickritual – in wenigen Minuten erledigt sind, brüteten die Ressortchefs diesmal stundenlang über den Eckwerten für den Doppelhaushalt 2004/05, die Finanzsenator Ulrich Nußbaum zusammen mit der Senatskanzlei vorgelegt hatte. Am Ende stimmte die Regierung dann„einstimmig“ dem Zahlenwerk zu.

Ganz „unaufgeregt“ wolle er Vollzug melden, sagte Nußbaum – und man konnte ahnen, dass es vorher wohl Aufgeregtheiten gegeben haben musste. Doch der Kassenwart wirkte entspannt: Es habe „keinerlei Verschiebungen oder anderweitige Ergänzungen“ an seiner Vorlage gegeben. Mit der detaillierten Umsetzung der Sparbeschlüsse in den einzelnen Ressorts allerdings werde sich dann der Koalitionsausschuss Anfang November befassen müssen.

Die Eckpunkte in Kürze: Alle Ressorts müssen ihre Ausgaben für Personal und Sachmittel um 5,6 Prozent kürzen, und den Beschäftigten im öffentlichen Dienst wird ab dem kommenden Jahr das Urlaubsgeld gestrichen sowie das Weihnachtsgeld auf die Hälfte zusammengekürzt. Demgegenüber investiert der Senat in die Bereiche Bildung und Kultur 35 Millionen Euro, und auch die Hochschulen sollen nicht leer ausgehen. Finanziell gefördert wird zudem die Einführung einer „Zweitkraft“ in den Kitas. „Investitionen in Stahl und Beton“ allerdings sollen „noch kritischer auf ihre Effekte für Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze“ geprüft werden.

Nachdem am Montag die Staatsräterunde einvernehmlich an den Nußbaum-Eckpunkten herumgefeilt hatte, taten die CDU-Ressortchefs dann im Senat überraschend heftige Bauchschmerzen kund. Er habe sich jedoch die Mühe gemacht, das voluminöse Eckpunktepapier „Seite für Seite konstruktiv im Dialog mit den Kollegen durchzuarbeiten“, sagte ein sichtbar erleichterter Finanzsenator. Man habe „Revue passieren lassen, wie die einzelnen politischen Farbenlehren sich in dem Entwurf wiederfinden – und Sie können davon ausgehen, dass sich alle wiedergefunden haben“.

Der Senat habe mit den Eckwerten jedoch erst die „Voraussetzungen dafür geschaffen, 2005 einen verfassungskonformen Haushalt vorzulegen“, betonte Nußbaum. Man stehe erst „am Anfang einer großen Arbeit“. Ob diese letztlich erfolgreich sei, werde sich erst im übernächsten Jahr zeigen. Die Annahmen, unter denen die Eckwerte entstanden sind, seien sehr optimistisch, räumte Nußbaum ein: So habe man ein bundesweites Wirtschaftswachstum von 2 Prozent unterstellt und damit eine „alte Prognose der Bundesregierung reingerechnet“. Zudem habe man die Steuerschätzung vom Mai herangezogen – bereits im November, wenn die neue Schätzung kommt, kann sich vieles als Makulatur erweisen. Der Kanzlerbrief taucht in dem Nußbaum-Zahlenwerk unter dem schönen Wort „Kompensation“ auf – und zwar mit satten 454 Millionen Euro.

Pflichtgemäß kritisierte die grüne Opposition den Senatsbeschluss. Fraktionschefin Karoline Linnert sprach von „Luftbuchungen“ und von „ungefangenen Fischen“, die der Senat „bei seiner mehr als optimistischen Rechnung“ voreilig verteile. „Der Senatswille allein verschafft Bremen auch keinen verfassungskonformen Haushalt im Jahr 2005“, sagte Linnert. Welchen „Flurschaden“ die Große Koalition mit der verhängten Sparquote anrichte, werde deutlich werden, „wenn die Giftlisten der einzelnen Ressorts auf den Tisch kommen“. jox